Justin Welby (Archivbild: 06.05.2023)

Umgang mit Missbrauchsfällen Anglikanisches Kirchenoberhaupt Welby tritt zurück

Stand: 12.11.2024 17:13 Uhr

Justin Welby, dem Oberhaupt der anglikanischen Kirche, wird vorgeworfen, den Missbrauch von mehr als 100 Jungen durch einen Anwalt der Kirche vertuscht zu haben. Nachdem der Druck zu groß geworden ist, zieht er nun Konsequenzen.

Nach Enthüllungen über einen Missbrauchsskandal tritt das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, Justin Welby, zurück. Welby kündigte diesen Schritt in einer persönlichen Erklärung an. Zuvor waren gegen ihn massive Rücktrittsforderungen laut geworden, weil er Kritikern zufolge einen Missbrauchsskandal in seiner Kirche nicht richtig aufgearbeitet hatte.

Welby und die anglikanische Kirche von England werden in dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Untersuchungsbericht "Makin Report" schwer belastet. Demnach hatte Welby es versäumt, auf Berichte über den Missbrauch von Jungen und jungen Männern zu reagieren.

"Schaffung einer sichereren Kirche"

Es geht um Fälle aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Der 2018 verstorbene Täter war prominenter Rechtsanwalt sowie Laienprediger, der Sommerlager für junge Christen leitete. Er soll mehr als 100 Jungen und junge Männer missbraucht haben. Welby wusste laut dem Report seit 2013 von den Vorwürfen. Die Fälle wurden erst durch einen Fernsehbericht 2017 öffentlich bekannt. Die Untersuchung kam zu dem Schluss, dass Welby den Missbrauch den Behörden hätte melden "können und müssen", als er im Jahr 2013 erstmals davon erfahren habe.

"Es ist völlig klar, dass ich die persönliche und institutionelle Verantwortung für die lange und erneut traumatisierende Zeit zwischen 2013 und 2024 übernehmen muss", schrieb Welby an König Charles. Er hoffe, dass diese Entscheidung deutlich mache, "wie ernst die Kirche von England die Notwendigkeit von Veränderungen und unser ernsthaftes Engagement für die Schaffung einer sichereren Kirche nimmt".

Petition forderte seinen Rücktritt

Welby hatte bereits nach der Veröffentlichung des Reports persönliche Versäumnisse eingeräumt, einen Rücktritt aber zunächst abgelehnt. Zuletzt hatten eine Bischöfin sowie ranghohe Kirchenvertreter und Missbrauchsopfer ihn aufgefordert, sein Amt niederzulegen. Tausende unterzeichneten eine entsprechende Petition.

Als Erzbischof von Canterbury ist Welby das geistliche Oberhaupt der Kirche von England sowie geistlicher Leiter der mehr als 160 Länder umspannenden anglikanischen Kirchengemeinschaft, der etwa 85 Millionen Gläubige angehören. Aufgabe des obersten Geistlichen der Kirche von England ist unter anderem die Krönung des britischen Monarchen. Er hat zudem einen Platz in der zweiten Parlamentskammer, dem House of Lords.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. November 2024 um 17:37 Uhr.