Oppositionsführerin im Exil Prozess in Belarus gegen Tichanowskaja
In Belarus hat ein Prozess gegen die Oppositionsführerin Tichanowskaja begonnen. Ihr wird Hochverrat und "Verschwörung zur verfassungswidrigen Machtübernahme" vorgeworfen. Die im Exil lebende Politikerin bezeichnete das Verfahren als Farce.
Gegen die ins Exil geflohene Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja ist in Belarus in Abwesenheit ein Prozess wegen Hochverrats eröffnet worden. Tichanowskaja und vier weiteren - ebenfalls geflohenen - Angeklagten werde Verschwörung mit dem Ziel der verfassungswidrigen Machtergreifung sowie die Bildung einer extremistischen Gruppierung vorgeworfen, berichtete die staatliche belarusische Nachrichtenagentur Belta zum Prozessauftakt.
Die USA kündigten anlässlich des Prozessbeginns neue Sanktionen gegen Belarus an.
Herausforderin Lukaschenkos
Tichanowskaja hatte 2020 den autoritären Langzeitmachthaber Alexander Lukaschenko bei den Präsidentenwahlen herausgefordert und gilt bei vielen Wahlbeobachtern als wahre Siegerin der Abstimmung. Nachdem der heute 68-Jährige sich zum Sieger erklären ließ, kam es in Belarus zu beispiellosen Demonstrationen, die Lukaschenko brutal niederschlagen ließ.
Tichanowskaja, die die Proteste mit anführte, wurde gezwungen, nach Litauen ins Exil zu gehen. Dort hat sie im Sommer eine Exilregierung gegründet.
Kein Kontakt zum Anwalt
Tichanowskaja bezeichnete den Prozess im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP als "Farce" und "persönliche Rache" des autoritären Staatschefs Lukaschenko. "Ich weiß noch nicht einmal, was mein sogenannter Anwalt morgen vor diesem Gericht tun wird, wie er mich verteidigen wird", sagte Tichanowskaja. Zugang zu Gerichtsdokumenten habe sie bisher nicht erhalten. Sie habe zwar versucht, ihren vom Gericht bestellten Anwalt zu kontaktieren, dieser habe aber nie geantwortet. Sie sei noch immer nicht über die genauen Vorwürfe gegen sie informiert worden, schrieb sie in ihrem Telegram-Kanal.
Sie rechnet mit "vielen Jahren" Haft
Die 40-Jährige gilt als Gesicht der belarusischen Opposition, regelmäßig prangert sie die anhaltenden Übergriffe der Regierung an. Neben ihr sind die Oppositionellen und Aktivisten Maria Moros, Pawel Latuschko, Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski angeklagt. Sie wisse nicht, "wie lange dieser Prozess dauern wird, wie viele Tage, aber ich bin sicher, dass sie mich zu vielen, vielen Jahren Gefängnis verurteilen werden", sagte Tichanowskaja.
Ihr Ehemann Sergej Tichanowski wurde im Dezember 2021 zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er Massenunruhen organisiert und zum Hass aufgestachelt haben soll. Eigentlich wollte ihr Ehemann, ein beliebter Video-Blogger und Aktivist, Lukaschenko bei der Wahl im August 2020 herausfordern. Er wurde jedoch im Mai 2020 festgenommen - zwei Tage nach Ankündigung seiner Kandidatur.
Tichanowskaja, eine ehemalige Englischlehrerin, kandidierte daraufhin an seiner Stelle. Sie und andere Mitglieder der Opposition wiesen das offizielle Ergebnis der Wahl zurück, das Lukaschenko eine sechste Amtszeit verschaffte.