Nach Angriff Aserbaidschans Mehr als 20.000 Menschen aus Bergkarabach geflohen
Nach der Gewalteskalation in Bergkarabach sind mehr als 20.000 Armenier aus der Region geflohen. Bei der Explosion in einem Treibstoffdepot kamen mindestens 68 Menschen ums Leben. Die Lage in den Krankenhäusern ist chaotisch.
Nach dem Sieg des aserbaidschanischen Militärs in Bergkarabach verlassen Armenier zu Tausenden die Kaukasus-Region. 20.270 der insgesamt 120.000 Armenier aus Bergkarabach sind nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur RIA in Armenien angekommen. Neun Stunden zuvor waren es nach armenischen Angaben noch rund 13.550 Menschen, die aus Bergkarabach nach Armenien eingereist waren.
Die Menschen verlassen Bergkarabach meist in Autos und Bussen. Am Montag hatte die Führung der in Aserbaidschan gelegenen Enklave mitgeteilt, alle, die nach dem Militäreinsatz Aserbaidschans in der vergangenen Woche nach Armenien ausreisen wollten, könnten dies tun. Es gebe Staus auf den Straßen, die von Bergkarabach nach Armenien führen. Denjenigen, die ausreisen wollten, werde kostenloser Treibstoff zur Verfügung gestellt, teilten die Behörden mit.
Mindestens 68 Tote und 290 Verletzte
Bei einer Explosion in einem Treibstoffdebot in Bergkarabach sind gestern mindestens 68 Menschen getötet worden. 290 Menschen wurden nach Angaben lokaler Behörden verletzt in Krankenhäuser eingeliefert. Dutzende von ihnen befänden sich im kritischen Zustand, hieß es. Etwa Hundert Menschen werden noch vermisst. Vorher war von etwa 20 Toten die Rede gewesen.
Die Behörden hatten am Montagabend eine starke Explosion unweit der Gebietshauptstadt der umkämpften Region gemeldet. Die Ursache der Explosion ist bislang unklar.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) teilte mit, Hunderte Menschen seien durch ein Feuer infolge der Explosion verletzt worden und hätten Brandwunden davongetragen. Es würden Medikamente nach Bergkarabach geliefert. Das IKRK helfe auch dabei, Verletzte zu versorgen und mit Krankenwagen wegzubringen. Überfüllte Krankenhäuser und Staus durch den Exodus ethnischer Armenier sind dabei laut IKRK problematisch.
Chaotische Zustände in Krankenhäusern
Die Explosion soll sich ereignet haben, als Bewohnerinnen und Bewohner darauf warteten, ihre Autos zu betanken. Benzin ist in dem Gebiet schon seit Monaten knapp.
Das Büro des Menschenrechtsbeauftragten Bergkarabachs schrieb auf der Plattform X, die eigenen medizinischen Kapazitäten reichten nicht aus, um das Leben der Menschen zu retten.
Aserbaidschan zur Aufnahme von Brandopfern bereit
Die humanitäre Lage in Bergkarabach, das seit Langem zwischen den beiden verfeindeten früheren Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan umkämpft ist, ist katastrophal. Seit Monaten blockieren Aserbaidschaner die einzige armenische Zufahrtsstraße, weshalb Lebensmittel, Medikamente und Benzin in der Region knapp sind.
Das armenische Gesundheitsministerium teilte mit, ein Hubschrauber habe am Morgen einige Opfer der Explosion nach Armenien gebracht. Weitere Flüge würden erwartet. Auch Aserbaidschan bot an, Brandopfer aus Bergkarabach medizinisch zu behandeln. Krankenhäuser mehrerer Landkreise seien für die Versorgung einer großen Anzahl an Patienten aus Bergkarabach vorbereitet worden, teilte der aserbaidschanische Präsidentenberater, Hikmet Hajiyev, auf der Plattform X mit.
EU will Hilfe auf fünf Millionen Euro erhöhen
Die EU kündigte an, ihre humanitäre Hilfe für Bergkarabach auf fünf Millionen Euro aufzustocken. Das teilte die Kommission in Brüssel mit. Es gelte, sich auf die Unterstützung von Tausenden vorzubereiten, die aus der Region fliehen wollten - insbesondere mit Blick auf den bevorstehenden Winter, sagte der zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic.
Die Unterstützung der EU umfasst jene 500.000 Euro Soforthilfe, die am vergangenen Donnerstag angekündigt worden war, sowie 4,5 Millionen Euro neue Mittel. Das Geld ist zum einen für rund 25.000 Geflüchtete gedacht, zum anderen für etwa 60.000 Menschen in Bergkarabach, die mit Nahrungsmitteln, medizinischer Hilfe und Unterkünften versorgt werden sollen.