Schottland Einmal Brexit - und zurück?
Eigentlich will die schottische Regierung den Brexit gar nicht - und vielleicht, so hofft sie, lässt er sich ja wieder aufheben. Den Weg zurück in die EU soll die eigene Unabhängigkeit ebnen.
Morag Williamson kämpft schon jetzt mit den Tränen. Wenn der Brexit Wirklichkeit geworden ist, werden viele erschüttert und traurig sein, ist sie überzeugt. Morag ist gebürtige Schottin und gehört der Initiative "Edinburgh4Europe" an.
Europa hat uns so viel Gutes gebracht, sagt sie, und das soll mit dem Brexit jetzt alles vorbei sein? Sie wird am Abend zusammen mit vielen anderen zum schottischen Parlament ziehen: "Auf diese Weise kommt man zusammen, um sich zu trösten. Das ist der Ort, wo man sein muss, wenn etwas historisch so bedeutsames passiert."
Regierungschefin Sturgeon drängt auf Unabhängigkeit
Während Morag in erster Linie gegen den Brexit protestiert, werden andere zugleich auch für die schottische Unabhängigkeit demonstrieren. Ein unabhängiges Schottland, das versichert Nicola Sturgeon immer wieder, hätte eine bessere Zukunft. Die schottische Regierungschefin treibt deshalb die Vorbereitungen für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum voran und will mit ihrer schottischen Nationalpartei SNP eine große Kampagne fahren, um die Schotten von den Vorzügen der Unabhängigkeit zu überzeugen.
Dass die Regierung des britischen Premierministers Boris Johnson ein solches Referendum nicht erlauben will, bremst Michael Russell, Minister im schottischen Kabinett, nicht aus:
Wenn die Schotten ein Referendum wollen, dann werden sie es bekommen. Das schottische Parlament hat gesagt, das es eins geben sollte. Die Bevölkerung will mehrheitlich eins - es wird eins geben. Ich glaube nicht, dass Boris Johnson das für immer verweigern kann, das glauben nicht mal seine eigenen Leute.
Bevölkerung ist gespalten
Michael Russell ist Minister für Verfassungsfragen und das Königreich. Damit fallen die Themen Brexit und Unabhängigkeit in seinen Bereich. Wenn er sagt, dass die Bevölkerung mehrheitlich die Unabhängigkeit will, stimmt das neuesten Umfragen zufolge zwar, aber die Mehrheit ist hauchdünn. Im Grunde ist die Bevölkerung bei der Unabhängigkeitsfrage in zwei fast gleich große Lager gespalten.
Aber Einwände dieser Art lässt Russell nicht gelten. Er gibt sich siegessicher: "Wir werden eine starke, positive Kampagne für unsere Zukunft haben, und wir werden sie gewinnen“, glaubt der Minister und hofft, dass Schottland auf diese Weise der EU in absehbarer Zeit wieder beitreten kann.
Höhere Hürden für Studenten aus der EU?
Ab heute Nacht gilt für die Schotten aber erst einmal der Brexit, der nach Ende der Übergangsphase Veränderungen in vielen Lebensbereichen mit sich bringen dürfte - auch für Ausländer wie etwa Studenten vom Kontinent.
Professor James Smith, Vize-Direktor für Internationale Angelegenheiten an der Universität von Edinburgh, beschreibt die Zukunft so: "Für Studenten aus der EU könnte es schwieriger werden, an eine Uni wie unsere zu kommen. Die Studiengebühren werden wahrscheinlich steigen. Aber wir sind uns auch bewusst, dass wir als eine der Top-20-Universitäten der Welt ein attraktiver Studienort bleiben werden. Und wir versuchen, Hilfestellung zu leisten, um weiterhin viele Dozenten und Studenten aus der EU zu haben."
Allerdings, das räumt Smith auch ein: Die Professoren- und Studentenschaft könnte an Vielfältigkeit verlieren. Und das bedauere er sehr.