Lieferung nicht freigegeben Slowakei zweifelt an Sputnik V
200.000 bestellte Sputnik-V-Dosen lösten in der Slowakei eine Regierungskrise aus. Nun gibt die nationale Arzneimittelbehörde den Stoff nicht frei: Es herrsche Unklarheit über Inhaltsstoffe.
In der Debatte um Impfstoffe in Europa steht das russische Präparat Sputnik V derzeit im Fokus: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will dazu bilaterale Gespräche außerhalb der EU führen, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat gar schon 2,5 Millionen Dosen vorbestellt. Eine Verimpfung von Sputnik V in Deutschland setzt aber eine Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA voraus, die dazu umfangreiche Datensätze vom Hersteller verlangt - wie berechtigt diese Forderung ist, zeigt der Fall Slowakei.
Der EU-Staat hatte 200.000 Dosen aus Russland geliefert bekommen, nachdem Premier Igor Matovic diese ohne Einverständnis seiner Koalition geordert hatte. Es folgte eine Regierungskrise und der Rücktritt Matovic'. Nun bleibt die Frage, ob der Impfstoff die Regierungskrise wert war.
Denn der Inhalt des militärischen Frachtflugzeugs, den Matovic Anfang März den Medien präsentierte, ruft bei den Behörden der Slowakei erhebliche Zweifel hervor. Die nationale Arzneimittelagentur gibt den Impfstoff bislang nicht frei. Sie könne keine abschließende Bewertung der gelieferten Dosen vornehmen, hieß es. Der Impfstoff unterscheide sich von dem, dem die Fachzeitschrift "The Lancet" Ende Februar eine hohe Wirksamkeit bescheinigt hatte.
Matovic sieht sich torpediert
Die Arzneimittelagentur erklärte, sie habe Tests durchgeführt, doch es fehle an Daten des Herstellers, was keinen Vergleich mit anderen Studien zu Sputnik V ermögliche. Die Arzneimittelagentur empfiehlt, erst die Genehmigung der EMA abzuwarten.
Laut dem slowakischen Internetmedium SME reiste Matovic, der seit der Regierungsumbildung Finanzminister ist, nach Moskau zu einem Treffen mit dem Chef des staatlichen Direktinvestititionsfonds RDIF, Kirill Dmitrijew. Mit ihm hatte er den Deal über insgesamt eine Million Dosen ausgehandelt.
Matovic sprach in einem Facebook-Post von "heimtückischen" und "systematischen" Bemühungen, den Einsatz von Sputnik V zu verhindern - und löste damit weitere Spannungen innerhalb der krisengeschüttelten Regierung aus.
Korčok: "Werkzeug hybrider Kriegsführung"
Außenminister Ivan Korcok hatte den russischen Impfstoff nach der Aktion Matovic' am Flughafen als ein "Werkzeug hybrider Kriegsführung" bezeichnet. Der Europaabgeordnete Vlado Bilcik zweifelte an den Absichten von Matovic und kritisierte ihn auch mit Blick auf den Zeitpunkt der Reise: Angesichts des russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine werde es nicht allein um eine Verhandlung über Impfstoffe gehen, meinte er.
Der slowakische Gesundheitsminister Eduard Heger, der das Amt nach Marek Krajcis Rücktritt übergangsweise ausübt, will in der kommenden Woche über den weiteren Umgang mit den Dosen aus Russland entscheiden. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Regierung an dem Streit noch zerbricht.
Russland verfügt über drei Impfstoffe - und exportiert
In Russland sind neben Sputnik V zwei weitere Impfstoffe zur Verimpfung freigegeben: Der zweite Impfstoff EpiVacCorona sollte ab März in Russland zum Einsatz kommen. Auch der dritte Impfstoff CoviVac sollte ab vergangenen Monat ausgeliefert werden. Umfangreiche klinische Studien liegen allerdings zu CoviVac noch nicht vor, Tests zur Wirksamkeit sind ebenfalls noch nicht abgeschlossen.
Auf einer Website für Sputnik V und einem Twitter-Account findet sich eine Erfolgsmeldung nach der anderen über die weltweite Verbreitung des Impfstoffs. Erst am Mittwoch teilte Armeniens Premier Nikol Paschinjan mit, dass sein Land 15.000 Dosen von seinem strategischen Partner erhalten werde, nachdem er Präsident Wladimir Putin einen Besuch abgestattet hatte.
Innerhalb der EU kaufte neben der Slowakei bislang nur Ungarn Sputnik-V-Dosen. EU-Beitrittskandidat Serbien setzt russische und chinesische Impfstoffe ein. Das Land mit knapp sieben Millionen Einwohnern verfügt offenbar über reichlich Impfstoff - jedenfalls lud dessen Regierung Ende März ausländische Staatsbürger vor allem aus den Nachbarländern ein, sich impfen zu lassen.
Allerdings ist die Frage, ob Russland mit den versprochenen Lieferungen nachkommt. So hatte RDIF-Chef Dmitriev erklärt, dass eine Auslieferung in die EU erst möglich sei, wenn die Massenimpfungen in Russland selbst durchgeführt seien.
Doch daran hakt es: Offiziellen Angaben zufolge sind bislang nur etwas mehr als fünf Millionen der 144 Millionen Einwohner vollständig geimpft. Umfragen zufolge wollen sich lediglich 30 Prozent impfen lassen, während ausländische Staatsbürger von den Impfangeboten in Moskau gerne Gebrauch machen.