Deutsche-Welle-Sperre in der Türkei "Ein Versuch, das Bild der Politik schön zu färben"
Weil sie eine Lizenz nicht beantragt hat, ist die Internetseite der Deutschen Welle in der Türkei gesperrt worden. Der türkischen Regierung geht es offenbar darum, unliebsame Themen aus der Öffentlichkeit zu verdrängen.
"Das war zu erwarten", sagt Christian Feiland. Er ist Vorsitzender des unabhängigen Vereins ausländischer Journalisten in der Türkei, FMA. Denn schon vor Monaten sei die Deutsche Welle (DW) aufgefordert worden, eine Lizenz zu beantragen. Dass sie das nicht getan hat, hält er für richtig.
Eine Lizenz bedeute nämlich Durchgriffsrechte der Aufsichtsbehörde RTÜK, so Feiland. Die Deutsche Welle müsste "sich dann verpflichten, diese Nachricht dann innerhalb von wenigen Stunden wieder vom Netz zu nehmen, also eine Art Zensur betreiben müssen".
Besonders ziele das Verbot auf das türkischsprachige Angebot der Deutschen Welle, weil das alle im Land verstehen - und so auch mit Kritik an der Regierung in Berührung kommen könnten. "Das ist einfach ein Versuch, das Bild der Politik schön zu färben", sagt Feiland.
Hohe Inflation und Armut
Dabei sind der Deutschen Welle in der Türkei nicht allzu viele Menschen gefolgt. Doch es geht um die Themen, die Medien wie auch die Deutsche Welle ansprechen - allen voran die hohe Inflation und Armut, sagt Henrik Meyer von der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung in Istanbul. Die Regierung drohe deswegen die nahende Wahl zu verlieren.
"Die Wahlen kann die türkische Regierung eigentlich nur noch gewinnen, wenn sie es schafft, die Agenda anders zu setzen in den Medien", sagt Meyer. "Wenn über andere Themen gesprochen wird als über Wirtschaft und Wirtschaftskrise und die Verarmung der Mittelschicht. Und in diesem Sinne ist es wichtig, dass auch solche relativ kleinen Medien kontrolliert werden können."
Die Bundesregierung unterstützt die Deutsche Welle
Kontrollieren, regeln, letztlich zensieren - darauf kommt es der Regierung an, glaubt auch Ilhan Tasci. Er ist Mitglied der oppositionellen CHP in der Aufsichtsbehörde RTÜK. Im Interview mit dem ARD-Hörfunkstudio Istanbul sagt er: "Sie wollen nicht, dass die Bürger Lösungsvorschläge der Opposition mitbekommen. Das Vorgehen zeigt, dass sie Medien, Verlage, Nachrichtenseiten einschließlich des Internets kontrollieren und nur einer Stimme Gehör verschaffen wollen."
Die Deutsche Welle weiß immerhin die Bundesregierung hinter sich. Ihre Situation war schon Thema beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Scholz in Ankara im März: "Wir unterstürzen die DW - ich habe das auch im Gespräch mit dem Präsidenten erwähnt -, dass sie eine freie ungehinderte Möglichkeit der Berichterstattung hat."
"Schwierige Wochen und Monate"
Viel ausrichten wird die Bundesregierung aber nicht können, meint Henrik Meyer von der Ebert-Stiftung. Zwar müsse man der Türkei klarmachen, dass Medienfreiheit für ein Land, das immerhin noch EU-Beitrittskandidat ist, wichtig ist, aber: "Trotzdem befürchte ich, dass die DW jetzt schwierige Wochen und Monate vor sich hat, da sich die Ausgangsposition nicht ändern wird - wichtig wird weiterhin sein, darüber im Dialog zu bleiben und klar zu sagen, was wir erwarten."
Richtig schwarz malt dagegen Ilhan Tasci. Er denkt, die Abschaltung der Deutschen Welle war erst der Anfang: "Das sind noch gute Tage für die Türkei und die Presse. Die antidemokratischen Praktiken werden sich verschärfen."
Ausspielung über soziale Medien
Die Deutsche Welle hofft jetzt, dass sie auf dem Rechtsweg ins türkische Internet zurückkehrt. Bis dahin behilft sie sich mit der Ausspielung über soziale Medien.
Hier will der Sender auch erklären, wie man trotzdem über das Internet drankommt - so wie das schon für Länder wie etwa Belarus, China, Iran oder Russland gilt, sagt Intendant Peter Limbourg im Ersten: "Leider befindet sich jetzt die türkische Regierung in dieser Gesellschaft von diesen Ländern, die unsere Angebote blockieren. Und ich bin mir nicht so sicher, ob das dem Image der Türkei nicht doch sehr schadet."