TV-Duell Macron attackiert, Le Pen defensiv
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hält der Amtsinhaber seiner Rivalin Nähe zu Russland vor. Auch sonst gerät Marine Le Pen im Duell mit Emmanuel Macron in die Defensive.
Zum Auftakt ihres TV-Duells vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich hat Amtsinhaber Emmanuel Macron seine Herausforderin Marine Le Pen für deren Verbindungen zu Russland scharf attackiert. Indem sie sich einen Kredit von einer russischen Bank geholt habe, habe sie sich von russischer Macht abhängig gemacht, sagte Macron.
Aufs Korn nahm der Staatschef auch Le Pens Misstrauen gegenüber der Europäischen Union und stellte ihre Kompetenz im Umgang mit ökonomischen Daten infrage.
Das einzige TV-Duell vor der Stichwahl um das höchste Staatsamt in Frankreich galt als einer der Höhepunkt des Wahlkampfes. Sowohl Macron als auch Le Pen hatten sich in den vergangenen Tagen akribisch auf das Streitgespräch vorbereitet. Gewählt wird am Sonntag. In Umfragen liegt Macron vor Le Pen, wobei der Abstand aber deutlich geringer ist als vor fünf Jahren.
Macron bissig beim Thema Russland-Kredit
In der TV-Debatte bemühte sich Macron, Le Pen als unglaubwürdig darzustellen. Er warf der Chefin des rechtsextremen Rassemblement National Unredlichkeit bei ihren Wahlkampfversprechen vor.
Besonders bissig fielen Macrons Verbalattacken aus, als es um einen Kredit ging, den Le Pens Partei 2014 bei einer russisch-tschechischen Bank aufnahm. Die Schulden bedeuteten, dass ihr im Umgang mit dem Kreml im Falle ihres Wahlsiegs die Hände gebunden wären, sagte der Staatspräsident. "Sie reden mit Ihrem Bankier, wenn Sie von Russland sprechen, das ist das Problem." Dann legte Macron nach. "Sie haben eine Wahl getroffen, die sich offensichtlich als Hemmschuh für ihre politische Position erwies und sie bei diesem Thema nicht unabhängig macht. Das ist Fakt."
Le Pen reagierte darauf gereizt und bestritt, dass der Kreml sie in der Tasche habe. Vielmehr sei sie "total frei". Im Übrigen zahle ihre Partei den Kredit zurück. Dass Macron das Thema überhaupt zur Sprache bringe, sei "unehrlich", kritisierte Le Pen.
Macron: Le Pens geplantes Kopftuchverbot würde "Bürgerkrieg" auslösen
Macron warnte seine Herausforderin Marine Le Pen auch eindringlich vor deren Plänen für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Raum. Für den Fall einer Umsetzung ihres Vorschlags drohe ein "Bürgerkrieg". Le Pen erklärte zuvor, dass sie den radikalen Islam bekämpfe, nicht Muslime. "Ich führe keinen Krieg gegen ihre Religion". Sie sage aber ganz klar, dass das Kopftuch eine von Islamisten aufgezwungene Uniform sei. "Ich denke, dass ein großer Teil der jungen Frauen, die es tragen, in Wirklichkeit keine andere Wahl haben."
Maron entgegnete: "Was Sie da sagen, ist sehr schwerwiegend. Sie werden einen Bürgerkrieg auslösen, falls Sie das tun." Frankreich wäre "das erste Land der Welt, das religiöse Bekundungen in öffentlichen Räumen untersagt."
Le Pens Start erinnert an Vergangenheit
Trotz ihrer intensiver Vorbereitung mit engen Beratern erwischte die Herausforderin Le Pen am Abend einen ungünstigen Debattenstart. Sie durfte als erste das Wort ergreifen, begann allerdings, noch ehe die Auftaktmelodie des Duells verklungen war. Wegen der Musik war Le Pen nicht zu hören, sie hielt daher inne und musste von neuem ansetzen. Sie entschuldigte sich.
Im letzten Wahlkampf waren Le Pen im TV-Duell etliche Schnitzer unterlaufen, die ihrer Kampagne nach Expertenmeinung damals den Todesstoß versetzten. Sie wirkte zögerlich, suchte in einem Stapel Notizen nach Antworten, leistete sich Fauxpas und verlor bisweilen die Beherrschung. Macron erwies sich dagegen auch in Detailfragen als sattelfest.
Anders als damals gilt das Präsidentschaftsrennen jedoch diesmal als enger. Le Pen konnte sich im Wahlkampf bisher offenbar die im Volk weit verbreitete Wut über die hohe Inflation zunutze machen. Vor der Stichwahl dürften sie und Macron noch versuchen, ihre Wählerbasis zu verbreitern. Viele Wähler, vor allem im linken Spektrum, wissen noch immer nicht, wem sie ihre Stimme geben oder ob sie überhaupt wählen gehen wollen.