Russlands Krieg gegen Ukraine Entsetzen über Attacke auf Einkaufszentrum
Nach dem Raketenangriff auf ein belebtes Einkaufszentrum in der zentralukrainischen Stadt Krementschuk sprechen westliche Politiker von einem Kriegsverbrechen Moskaus. Die Zahl der Opfer stieg auf mindestens 18.
Der G7-Gipfel hat den Raketenangriff auf das Einkaufszentrum in der ukrainischen Stadt Krementschuk verurteilt und Russland mit Konsequenzen gedroht. "Willkürliche Angriffe auf unschuldige Zivilistinnen und Zivilisten sind Kriegsverbrechen. Der russische Präsident Putin und die Verantwortlichen werden dafür Rechenschaft ablegen müssen", hieß es in einer Erklärung der Gipfelteilnehmer am Abend.
Die Zahl der Todesopfer nach dem Angriff auf das belebte Einkaufszentrum stieg in der Nacht nach Angaben von Dmytro Lunin, dem Gouverneur des Gebiets Poltawa, auf mindestens 18. 36 Menschen gelten als vermisst. Lunin warf den russischen Truppen "Kriegsverbrechen" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vor.
Etwa 60 Menschen seien bei dem Angriff verletzt worden, erklärte der Leiter der ukrainischen Rettungsdienste, Serhij Kruk, im Messengerdienst Telegram. 25 von ihnen seien ins Krankenhaus gebracht worden. Die Einsatzkräfte würden weiter Rettungsarbeiten vornehmen, "Trümmer beseitigen und Feuer löschen", erklärte Kruk weiter. "Die Arbeiten werden rund um die Uhr fortgesetzt".
Selenskyj: "Sinnlos, auf Anstand und Menschlichkeit zu hoffen"
Zum Zeitpunkt des Raketenbeschusses hatten sich laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj "mehr als 1000 Menschen" in dem Einkaufszentrum aufgehalten. Selenskyj betonte, das Gebäude habe keinerlei strategische Bedeutung. Russland versuche, das Alltagsleben der Ukrainer zu sabotieren. "Russland lässt seine Unfähigkeit weiter an der Zivilbevölkerung aus. Es ist sinnlos, von seiner Seite auf Anstand und Menschlichkeit zu hoffen." Die Aktion sei einer "der dreistesten Terrorangriffe in der europäischen Geschichte".
Biden verurteilt Angriff
US-Präsident Joe Biden machte Russland für den Angriff verantwortlich und kritisierte Moskau scharf. "Der Angriff Russlands auf Zivilisten in einem Einkaufszentrum ist grausam", schrieb er auf Twitter. "Wir sind solidarisch mit dem ukrainischen Volk." Biden hält sich derzeit beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern auf.
Der US-Präsident schrieb weiter: "Wie beim G7-Gipfel gezeigt, werden die USA gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern Russland weiterhin für solche Gräueltaten zur Rechenschaft ziehen und die Verteidigung der Ukraine unterstützen." Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte die Biden-Regierung am Montag weitere Strafmaßnahmen der USA und der anderen G7-Staaten gegen Moskau angekündigt.
EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem "schrecklich wahllosen" russischen Raketenangriff. Die Einschüchterungstaktik Russlands werde aber nicht funktionieren, zeigte er sich bei Twitter überzeugt.
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich schockiert und nannte den Angriff "absoluten Horror". Man teile den Schmerz der Familien der Opfer und die Wut über eine solche Schmach, schrieb der Staatschef in einem Tweet. Das russische Volk müsse die Wahrheit sehen.
Strack-Zimmermann: "Abscheuliche Kriegsverbrechen"
Der britische Premierminister Boris Johnson attestierte Russlands Präsident Wladimir Putin "abgrundtiefe Grausamkeit und Barbarei". Putin bewirke damit jedoch nur, dass die Entschlossenheit Großbritanniens und der anderen G7-Länder gestärkt werde, die Ukraine "so lange wie nötig" zu unterstützen.
Die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, schrieb auf Twitter, die Angriffe seien "abscheuliche Kriegsverbrechen". Die Unterstützung der Ukraine müsse "drastisch" beschleunigt werden.
Angriff auf Einkaufszentrum in Ukraine beschäftigt UN-Sicherheitsrat
Der Raketenangriff auf das Einkaufszentrum soll auch den UN-Sicherheitsrat beschäftigen. Das mächtigste UN-Gremium will heute um 21.00 Uhr MESZ zu dem Thema beraten, wie Diplomaten in New York mitteilten. Das Treffen war auf Bitten der Ukraine anberaumt worden.
Der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Dmitri Poljanskij, beschuldigte auf Twitter die Ukraine, mit dem Vorfall vor dem NATO-Gipfel Mitleid erregen zu wollen. Er bezeichnete die Attacke als eine Provokation der Ukraine und erklärte, dass es mehrere Ungereimtheiten in der Darstellung der Ereignisse gebe. Ins Detail ging Poljanskij aber nicht. Russland hat wiederholt bestritten, zivile Ziele zu attackieren. Bei russischen Angriffen wurden jedoch schon zuvor Einkaufszentren, Theater, Krankenhäuser, Kindergärten und Wohngebäude getroffen.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Region von Angriffen bislang verschont
Krementschuk liegt etwa 250 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Kiew. Die Gegend war bislang von den Kämpfen seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar weitgehend verschont geblieben. Dort befindet sich die größte Ölraffinerie des Landes. In unmittelbarer Nähe des Einkaufszentrums befinden sich mehrere Industrieanlagen, darunter eine Fabrik für Straßenbaumaschinen.
Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe wurde das Einkaufszentrum von Kh-22-Anti-Schiffsraketen getroffen, die von der russischen Region Kursk aus abgefeuert worden waren. Der Sekretär des Sicherheitsrats, Olexij Danilow, sagte, dass eine zweite Rakete in ein örtliches Sportstadion eingeschlagen sei.