
EU-Staaten in Brüssel Der Gipfel der Realitäten
Beim EU-Gipfel ging es es vor allem um die eigene Verteidigungsbereitschaft und die weitere Unterstützung der Ukraine. Am Ende blieben Ernüchterung und bittere Erkenntnisse.
Der Bergführer hat Wort gehalten. Innerhalb eines Tages sei der Gipfel zu bewältigen, so Antonio Costa, der Sprecher der Staats- und Regierungschefs. Spät am Abend hatte er dann sein Ziel erreicht: "Heute haben wir uns vor allem auf unsere Wirtschaft konzentriert", sagt er.
Der Ratspräsident, der eher nach Golfurlaub statt nach einem anstrengenden Gipfeltag aussah, hatte den Teilnehmern schwere Themen in den Rucksack gepackt. Unterstützung für die Ukraine, Kapitalmarktunion, Wettbewerbsfähigkeit und zum Abendessen wurde noch auf dem nächsten EU-Haushalt herumgekaut. Der soll von 2027 bis 2034 gelten. Schwer vorstellbar, wie die Welt dann aussehen wird.
Dass die EU dann aber nicht mehr zwei Drittel für Landwirtschaft und Regionalförderung ausgeben wird, so viel Vorhersage darf man wohl wagen.
Abschlusserklärung zur Ukraine ohne Ungarn
Auch wenn laut Gipfelplanung die Wirtschaft im Mittelpunkt stehen sollte, die Lage in der Ukraine hat dann doch den ein oder anderen Zahlensalat überschattet.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte die Staatschefs per Videoschalte auf, den Druck auf Russland nicht zu lockern und weitere Sanktionen zu verhängen. Alle nickten, einer rief "Veto": Die Abschlusserklärung zur Ukraine wird nur von 26 Regierungschefs unterstützt, Ungarn ist nicht dabei. 27 minus eins - so sieht wohl die künftige Realität der EU aus.
EU-Staaten sagen weitere Unterstützung zu
Es war nicht die einzige Ernüchterung dieses Gipfels. Auch von möglichen Friedensverhandlungen sei man noch weit entfernt, so Bundeskanzler Olaf Scholz: Man sei gar nicht in der Situation, um sich über die Besetzungen von irgendwelchen Tischen Gedanken zu machen, sagte er zum Abschluss dieses Gipfels. Für ihn sei wichtig, dass die USA die Ukraine weiter unterstützen.
Auch die Außenbeauftragte der EU, Kaja Kallas, musste eine bittere Erkenntnis verkraften. Sie hatte vor ein paar Wochen noch forsch "20 bis 40 Milliarden Euro" von den Regierungschefs für die Ukraine gefordert, am Ende ging sie dann mit fast leeren Händen nach Hause. Es bleibt nur die Zusage, dass die Ukraine weiter finanziell unterstützt wird. Deutschland wird dabei wohl den größten Anteil übernehmen.
"Elementarer Schritt zu einer Verteidigungsunion", Tobias Reckmann, ARD Brüssel, zur Stärkung der EU-Verteidigung
Massive Aufrüstung bis 2030
Was ihre eigene Sicherheit betrifft, stellt sich die Gemeinschaft hinter den Plan "ReArm Europe" von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Danach sollen die Mitgliedsstaaten in den nächsten fünf Jahren massiv aufrüsten, um verteidigungsfähig zu sein. Österreich, das nicht in der NATO ist, will die Möglichkeit nutzen, um gemeinsam Waffen zu beschaffen, "das werde dann auch günstiger" so der österreichische Regierungschef Christian Stocker.
Madrid dagegen, das von Moskau weiter entfernt ist, steht den Plänen eher skeptisch gegenüber.
Scholz verurteilt Festnahme von Imamoğlu
Auch wenn die gute Vorbereitung dieses Gipfeltages gelobt wurde, wie in den Bergen gab es auch in Brüssel immer wieder unvorhersehbare Ereignisse. Die Festnahme des Bürgermeisters von Istanbul, Imamoğlu, zum Beispiel, die vom deutschen Bundeskanzler mit deutlichen Worten verurteilt wurde.
Oder die Zölle gegen die USA, die Europa nun erstmal um zwei Wochen verschoben hat. Man wolle die Auswahl der Produkte so ausbalancieren, dass der negative Einfluss auf unsere Wirtschaft möglichst gering sei, so von der Leyen zur Begründung.
Vielleicht ist die Gefahr dieses vollgepackten Gipfeltages, dass man das Ziel etwas aus den Augen verliert. Nach dem Gipfel ist jedenfalls vor dem Gipfel. Am Donnerstag lädt der französische Präsident Macron schon wieder nach Paris ein, um im kleineren Kreis über die Ukraine und die Zukunft Europas zu beraten