Proteste im Iran EU-Parlament verurteilt Aminis Tod als Mord
Aus Sicht des EU-Parlaments handelt es sich bei dem Tod der jungen Kurdin Amini, welcher landesweite Proteste im Iran ausgelöst hat, um einen "tragischen Mord". Das Gremium fordert Sanktionen und eine unabhängige Untersuchung.
Das EU-Parlament hat sich per Resolution mehrheitlich für Strafmaßnahmen im Zusammenhang mit den Protesten im Iran und dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini ausgesprochen.
Das Gremium verurteilt den Tod der jungen Frau als "tragischen Mord" und fordert Strafmaßnahmen für die mutmaßlich Schuldigen, wie es in einer online veröffentlichten Presseerklärung heißt. Das EU-Parlament vermutet außerdem, dass Amini während ihrer Haft misshandelt wurde - unter Berufung auf Augenzeugen, die berichtet hätten, die 22-Jährige sei von Polizisten geschlagen worden.
Amini war Mitte September festgenommen worden - offiziellen Angaben iranischer Behörden zufolge wegen Verstößen gegen die islamische Kleiderordnung. Wie es anschließend zum Tod der Frau kam, ist noch immer ungeklärt. Fest steht, dass Amini ins Koma fiel und am 16. September in einem Krankenhaus verstarb. Das EU-Parlament fordert eine unabhängige Untersuchung ihres Todes.
Amnesty International: Bereits mindestens 130 Todesopfer
Der Tod der jungen Frau wurde zum Anlass für landesweite, massive Proteste, die weiter andauern. Sie richten sich gegen das iranische Regime, Frauen gehen für mehr Rechte und Freiheiten auf die Straße.
Neuesten Zahlen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge sind seit Beginn der Proteste im Iran landesweit mindestens 130 Menschen ums Leben gekommen, die an Demonstrationen teilgenommen hatten. Allein im Südosten des Landes seien bei der Niederschlagung von Protesten mindestens 82 Menschen von Sicherheitskräften getötet worden. Auch Kinder sollen demnach zu den Opfern zählen. Die meisten dieser Menschen seien am vergangenen Freitag getötet worden, als in der Stadt Sadehan Sicherheitskräfte mit scharfer Munition und Tränengas auf Demonstrierende, umstehende Passanten und Gläubige, die zuvor das Freitagsgebet besucht hatten, geschossen haben sollen.
Zudem seien seit dem Auftakt der Demonstrationen mehr als 1000 Menschen im Iran in Zusammenhang mit den Protesten festgenommen worden, heißt es von der Organisation Iran Human Rights. Dazu zählten unter anderem auch Journalisten, Filmemacher und Frauenrechtsaktivistinnen.
Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben zu den Opferzahlen und Festnahmen nicht. Der Iran selbst veröffentlicht keine Angaben. Von den Behörden hieß es lediglich, dass es auch aufseiten der Sicherheitskräfte Tote gegeben habe.
Ein Zeichen der Solidarität mit der Strähne
Westliche Regierungen, darunter auch Deutschland, erklärten sich solidarisch mit der Protestbewegung und verurteilten das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten.
Auch die schwedische Abgeordnete im EU-Parlament, Abir Al-Sahlini, nutzte ihren Redebeitrag während der Debatte für den symbolischen Akt, sich einen Teil ihrer Haare abzuschneiden. Diese Geste soll die Solidarität für die Frauen im Iran aufzeigen, die unter anderem gegen die Kopftuchpflicht auf die Straße gehen. Auch mehrere Prominente, etwa einige französische Schauspielerinnen, hatten sich öffentlich bereits Haarsträhnen abgeschnitten.
Ein Zeichen der Solidarität: Die schwedische EU-Abgeordnete, Abir Al-Sahlani, setzte während ihrer Rede die Schere an.
Auch Sanktionen gegen Sicherheitskräfte gefordert
Neben den Sanktionen infolge des Mordes an Amini fordert das EU-Parlament in seiner Resolution auch Strafmaßnahmen gegen iranische Sicherheitskräfte, die gewaltsam gegen Protestierende vorgehen. In der Erklärung erklärt das Parlament seine "ausdrückliche Unterstützung für die friedliche Protestbewegung im Iran und insbesondere für die jungen Frauen, die die Demonstrationen anführen und daran teilnehmen" und kritisierte scharf den "weit verbreiteten und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt".
Die Abgeordneten fordern die iranischen Behörden auf, Anklagen gegen "Personen, die nur wegen der Ausübung ihrer Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert wurden" sofort fallenzulassen und die Betroffenen aus der Haft zu entlassen.
USA verhängen weitere Strafmaßnahmen
Schon im September hatte die US-Regierung erste Sanktionen gegen Mitglieder der iranischen Sittenpolizei auf den Weg gebracht. Nun folgen weitere Sanktionen - sie betreffen den iranischen Innenminister Ahmad Wahidi, Telekommunikationsminister Issa Sarepur und fünf Sicherheitsvertreter. Vorhandenes Vermögen der Betroffenen in den USA soll eingefroren werden, zudem werde der Zugang zum US-Finanzmarkt für die Politiker und Sicherheitsvertreter erschwert.
Finanzstaatssekretär Brian Nelson begründete die Entscheidung für weitere Strafmaßnahmen mit der "anhaltenden Gewalt gegen friedliche Demonstranten nach dem tragischen Tod der 22-jährigen Mahsa Amini". Die US-Regierung verurteile das gewaltsame Vorgehen gegen Protestierende und vom Iran verhängte Internetblockade. "Die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht sind grundlegend, um individuelle Freiheit und Würde zu garantieren", mahnte Nelson.
Faeser für Abschiebestopp
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach gegenüber dem "Spiegel" von einer aktuell "desaströsen Menschenrechtslage" im Iran und sprach sich daher dafür aus, Abschiebungen in das Land vorerst auszusetzen. "Ein Abschiebestopp ist der richtige Schritt, über den die Länder schnellstmöglich entscheiden sollten", so die SPD-Politikerin. Auch Faeser kritisierte die "brutale Gewalt", mit welche die "friedlichen Proteste" im Iran niedergeschlagen würden. Junge Frauen lehnten sich "mit unfassbarem Mut gegen die Gewalt- und Unterdrückungsherrschaft auf" und riskierten ihr Leben im Kampf für Freiheit. Faeser forderte:
Alles, was wir hierzulande zum Schutz der mutigen iranischen Zivilgesellschaft tun können, müssen wir tun.
Niedersachsen hat Abschiebungen in den Iran bereits ausgesetzt. Landesinnenminister Boris Pistorius kündigte zudem an, bei der nächsten Innenministerkonferenz für einen allgemeinen Abschiebestopp zu werben und einen entsprechenden Beschlussvorschlag einbringen zu wollen.