Kaja Kallas

Nächste Außenbeauftragte der EU Estlands "Eiserne Lady"

Stand: 28.06.2024 00:36 Uhr

Kaja Kallas wird als EU-Außenbeauftragte künftig die europäische Außenpolitik leiten. Der Wechsel nach Brüssel könnte ihr gelegen kommen, denn innenpolitisch hat sie an Strahlkraft verloren.

Kaja Kallas lässt sich nicht aufs Glatteis führen. Mehrmals wird sie in einem Radiointerview mit dem estnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk EER gefragt, ob dies nun das letzte Interview mit ihr als Estlands Ministerpräsidentin sei und sie schon die Koffer für den neuen Job in Brüssel gepackt habe.

"Lassen Sie mich klarstellen, dass es zunächst darum geht, wer als Kandidat für die Position des EU-Außenbeauftragten aufgestellt wird. Entscheiden werden das die Staats- und Regierungschefs", so Kallas. Das ist jetzt geschehen.

Klare Kante gegen Putin

Mit europäischer Politik kennt sich Kallas bestens aus. Estlands Ministerpräsidentin ist nicht nur bei EU-Gipfeln eine vielgefragte Politikerin. Immer wieder treibt sie Europa an, der Ukraine schneller und effizienter zu helfen. Mit klaren Worten fordert sie auch regelmäßig klare Kante gegen Putin.

Sie ließ sich auch nicht davon beeindrucken, dass er sie auf die Fahndungsliste schreiben ließ. "Er will, dass wir Angst haben. Aber damit würden wir ihm geben, was er will. Deshalb sollten wir keine Angst haben", sagt die 47-Jährige im Februar in einem Interview mit den ARD-Tagesthemen. Sie wolle weiterhin kein Blatt vor den Mund nehmen.

Das nutzt Putin eindeutig als Waffe, um Angst zu verbreiten und um zu zeigen, dass wir kein echtes Land sind. Er beschuldigt mich für Dinge, die eigentlich interne russische Angelegenheiten sind. Wir sind aber ein eigenständiges Land.

Daran sehe man, dass Putin imperialistische Träume und Gedanken habe, so Kallas. Als bekannt wurde, dass sie auf der Liste steht, hätten ihr viele gesagt, dass das eine Ehrenmedaille sei. "Ich muss wohl irgendwas richtig gemacht haben, wenn die Russen so sauer auf mich sind", stellte sie anschließend fest.

Das machte Eindruck. Auch auf die europäischen Staats- und Regierungschefs.

Familiengeschichte als Ansporn

Sie wäre nicht die erste in ihrer Familie, die in Brüssel Karriere macht. Nach der Unabhängigkeit Estlands 1991 wurde ihr Vater Siim Außen- sowie Finanzminister. Als Premierminister verhandelte er den Weg Estlands in die EU und die NATO und wurde anschließend EU-Kommissar.

Vielleicht wählte Tochter Kaja auch deshalb zunächst einen anderen Weg und machte Karriere als Rechtsanwältin. In der wirtschaftsliberalen Reformpartei ging es für Kallas dann aber auch in der Politik schnell voran: als Europaabgeordnete und dann als erste Frau an der Spitze ihrer Partei.

Seit 2021 ist sie Ministerpräsidentin in einem Land, das eine direkte Grenze zu Russland hat - und in dem eine große russischstämmige Minderheit lebt. Ihr Blick nach Moskau ist immer auch geprägt von der eigenen Familiengeschichte.

"Als Russland Estland besetzte, deportierten sie Esten nach Sibirien und brachten Russen in das Land. Meine eigene Familie wurde auch nach Sibirien deportiert. Zum Ende der Besatzung belief sich die russische Minderheit auf 30 Prozent."

Die persönliche Familiengeschichte ist auch ihr Ansporn. Sie stehe stellvertretend für das, was viele Estinnen und Esten erlebt haben, sagt Kallas. Der russische Angriff auf die Ukraine hat das Sicherheitsgefühl vieler Balten verändert und alte Wunden aufgerissen. Mit ihren offenen Worten macht Kallas ihren Landsleuten Mut.

Innenpolitisch an Strahlkraft verloren

Der Weg nach Brüssel könnte auch innenpolitische Gründe haben. In Estland hat sie an Strahlkraft verloren. Die Sparmaßnahmen ihrer Regierung sind äußerst unpopulär. Als bekannt wurde, dass ihr Ehemann Arvo Hallik an einem Transportunternehmen beteiligt war, das trotz Sanktionen weiter Güter nach Russland fuhr, litt auch ihr Ruf.

Bei den Europawahlen landete ihre Reformpartei mit 17,9 Prozent nur noch auf Platz drei. Die neue Aufgabe in Brüssel kommt also zur rechten Zeit und aus Sicht Kallas möglicherweise sehr gelegen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. Juni 2024 um 07:35 Uhr.