Pläne des EU-Parlaments Mit Transparenz gegen Online-Manipulation
Das EU-Parlament will die Regeln für politische Online-Werbung verschärfen. Durch mehr Transparenz sollen Fake News, Hetze und Manipulation verhindert werden. Die Pläne dürften für Diskussionen sorgen.
Falsche Versprechungen, gezielte Desinformation, Hass und Hetze. Im Internet machen Populisten Stimmung für die eigene politische Agenda - und werden dabei immer professioneller. Sie verbreiten Verschwörungstheorien, Fake News und Vorurteile, um Verunsicherung zu schüren, die Gesellschaft zu spalten und Wahlen zu manipulieren. Oft sind dabei kommerzielle Dienstleister im Spiel - so wie die inzwischen aufgelöste britische Agentur "Cambridge Analytica", die 2016 mit Facebook-Nutzerdaten die Brexit-Kampagne und den Trump-Wahlkampf unterstützt hatte.
Auch heute noch nutzen PR-Agenturen Datenanalysen und erstellen Psychogramme, damit politische Werbebotschaften auch an kleinste Zielgruppen ausgespielt werden können. Wer als Auftraggeber dahintersteckt, bleibt oft im Dunkeln.
Sponsoren von Kampagnen kennzeichnen
"Der Befund ist klar: Es gibt in unserer Demokratie und bei unseren Wahlen zu viel Manipulation und Missbrauch", sagt der französische Liberale Sandro Gozi. Das EU-Parlament will deshalb die Transparenzregeln für bezahlte politische Werbung im Internet deutlich verschärfen, um die Bürgerinnen und Bürger der EU besser vor Desinformation zu schützen und vor Beeinflussungsversuchen aus dem Ausland. Denn Auftraggeber aus Drittstaaten sollen in der EU keine Werbedienste mehr nutzen dürfen.
"Es muss klar sein, wer diese Kampagnen sponsert und warum die Nutzer sie zu sehen bekommen. Das ist ein wichtiger Schritt, um unsere Demokratie zu verteidigen, bei den Wahlen, die wir nächstes Jahr vor uns haben. Auf lokaler Ebene, regionaler, nationaler und europäischer", sagt Tom Vandenkendelaere, Christdemokrat aus Belgien. Dort geben die Parteien so viel Geld für politische Werbung auf Online-Plattformen aus wie nirgendwo sonst in der Europäischen Union.
Datenschutz ausweiten
Das sogenannte Micro-Targeting, also das gezielte Ausspielen von Werbung auf der Grundlage von Datenprofilen, will das Europaparlament deutlich beschränken. Sensible, persönliche Informationen, etwa über die Religionszugehörigkeit, die Nationalität, die sexuelle Orientierung oder die politische Einstellung sollen für individuell zugeschnittene Online-Botschaften gar nicht mehr genutzt werden dürfen. Andere Daten nur noch dann, wenn der Nutzer oder die Nutzerin der Verwendung ausdrücklich zugestimmt hat.
Schließlich könne eine Partei mithilfe solcher Psychogramme unterschiedliche Botschaften an unterschiedliche Wählergruppen senden, sagt die grüne Digitalexpertin Alexandra Geese: "Also zum Beispiel: 'Freie Fahrt für alle! Keine neuen Gesetze!' an ältere Menschen und 'Klimaschutz First' an jüngere Menschen. Und das passt doch nicht mit unserer öffentlichen Demokratie zusammen, dass man als Partei nicht mehr dafür gerade stehen muss, was man sagt."
Archiv für politische Online-Kampagnen
Für größtmögliche Transparenz soll eine zentrale Datenbank sorgen, die von der EU-Kommission verwaltet wird und detaillierte Informationen über politische Online-Kampagnen erfassen soll. Etwa wer die Auftraggeber sind oder woher das Geld dafür kommt. Ein entsprechendes Archiv soll der Öffentlichkeit zehn Jahre lang zugänglich sein.
Die Digitalbranche hält die Pläne der EU für völlig überzogen und versucht ganz offensichtlich schon seit einiger Zeit, aktiv auf den laufenden Gesetzgebungsprozess Einfluss zu nehmen. Abgeordnete berichten jedenfalls von massiven Lobby-Aktivitäten mit dem Ziel, den Anwendungsbereich der Verordnung einzuschränken, um die lukrativen Geschäftsmodelle von Google, Facebook und Co. zu verteidigen.
Diskussionsstoff innerhalb der EU
Als Nächstes müssen sich die europäischen Abgeordneten mit der EU-Kommission und der Vertretung der Mitgliedsstaaten auf eine gemeinsame Linie verständigen. Das dürfte nicht einfach werden. Denn die EU-Länder sind zwar auch für schärfere Transparenzregeln. So weit wie das Parlament wollen sie aber nicht gehen. Unter anderem soll es nämlich Ausnahmen für staatliche Stellen wie Ministerien oder Behörden geben, damit zum Beispiel wichtige Informationen wie Wahltermine oder Impfangebote auch weiterhin über soziale Medien kommuniziert werden dürfen.
Kritiker im EU-Parlament befürchten, dass Regierungen diese Regelung nutzen könnten, um durch die Hintertür ihre politischen Botschaften zu verbreiten, während sich Oppositionsparteien an strenge Vorschriften halten müssen. Die Diskussion geht also gerade erst los. Sie darf sich aber eigentlich nicht allzu lange hinziehen, denn die neuen Regeln sollen möglichst noch in diesem Jahr in Kraft treten - damit sie rechtzeitig vor der nächsten Europawahl 2024 wirksam sind.