EU-Reaktionen auf Faeser Warten auf die entscheidenden Details
Ein historisches Momentum erkennt Innenministerin Faeser in der Asylpolitik. Doch in Brüssel fallen die Reaktionen vorerst überschaubar aus - die EU sucht noch nach einer Asylpolitik, die von allen getragen wird
Es ist die letzte Chance, den seit 2020 auf dem Tisch liegenden Vorschlag der EU-Kommission für ein Asyl- und Migrationspaket doch noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Der Brüsseler Fahrplan sieht vor, dass es eine Verständigung im Rat der Mitgliedstaaten bis Juni gibt, danach die Verhandlungen mit dem EU-Parlament beginnen und im Frühjahr abgeschlossen werden.
Dass Deutschland sich jetzt so lautstark zu Wort meldet, halten viele EU-Parlamentarier allerdings für eine kalkulierte Initiative vor dem Flüchtlingsgipfel kommende Woche.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser wolle den Ländern und Kommunen die Botschaft senden, dass man alles im Griff habe, vermutet der Europaparlamentarier Erik Marquardt von den Grünen. Tatsächlich gebe es bisher aber kaum mehr als Absichtserklärungen, deshalb sollte die Bundesregierung erst einmal auf den Tisch legen, was sie im Detail tatsächlich plant.
Nah an den Brüsseler Plänen
Das, was man bisher kennt, unterscheidet sich nur wenig von den bisherigen Positionen der EU-Kommission. Es geht vor allem um beschleunigte Asylverfahren, die im Regelfall an den EU-Außengrenzen stattfinden sollen und um vereinfachte Rückführungen. Einig ist man sich auch mit dem Parlament und dem Rat der 27 EU-Mitgliedsstaaten, dass jeder Ankommende an den Außengrenzen registriert und medizinisch untersucht wird sowie eine Sicherheitsprüfung durchlaufen soll.
Nach diesem Screening sollen alle Ankommenden, die aus Ländern mit einer geringen Anerkennungsquote oder aus einem sicheren Drittland kommen, ein Schnellverfahren durchlaufen. Während Berlin möchte, dass dieses beschleunigte Grenzverfahren nur für Personen gilt, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von weniger als 15 Prozent kommen, hat die EU-Kommission 20 Prozent als Grenze vorgeschlagen.
Verändern sich dann die Flüchtlingsrouten?
Unklar ist auch noch, unter welchen Umständen Familien mit Kindern von den Schnellverfahren ausgenommen bleiben. Diese sollen dann maximal zwölf Wochen dauern. Während dieser Zeit können Schutzsuchende auch unter haftähnlichen Bedingungen untergebracht werden. Sie gelten in dieser Zeit juristisch als noch nicht eingereist.
Eine Klage gegen die Ablehnung eines Asylantrags hätte außerdem keine aufschiebende Wirkung. In dem dreimonatigen Schnellverfahren wird entschieden, ob ein Antrag zulässig ist und ein reguläres Asylverfahren beginnt, oder ob er zurückgewiesen wird, wobei ein Grund auch sein kann, dass die Person aus einem Drittstaat kam - beispielsweise der Türkei - wo sie bereits sicher war.
Kritiker der Pläne sprechen davon, dass damit geltende Regeln und Standards aufgeweicht würden. Vermutet wird auch, dass viele Migranten künftig versuchen würden, auf neuen Fluchtrouten die Grenzverfahren zu umgehen.
Diese angestrebte Einigung für ein europäisches Asylrecht sei dessen Abschaffung, meint nicht nur die EU-Abgeordnete Cornelia Ernst von der Partei Die Linke.
Sekundärmigration innerhalb der EU
Allerdings ist kaum einer der jetzt in der EU debattierten Vorschläge wirklich neu. Doch scheiterten sie in der Vergangenheit häufig, weil Herkunftsländer oder sogenannte sichere Drittstaaten die Menschen nicht zurücknahmen. Gleichzeitig ließen die unter Druck stehenden Staaten an den EU-Außengrenzen die Asylsuchenden als s genannte Sekundärmigration in die EU weiterreisen.
Deshalb sollen die Erstankunftsländer wieder stärker in die Pflicht genommen werden. Stellt ein dort Ankommender keinen Asylantrag und reist auf eigene Faust in ein anderes EU-Land weiter, hat dieses für die Rücküberstellung in das Erstankunftsland nun zwölf Monate Zeit. Bislang musste diese Rücküberstellung innerhalb von nur sechs Monaten geschehen. Taucht der Betreffende unter, sollen für eine Rückführung nach seinem Aufgreifen auch sechs Monate Zeit sein - selbst wenn die Jahresfrist schon verstrichen ist.
Sollten die Länder an den EU-Außengrenzen mit ihren Aufnahmekapazitäten am Ende sein, ist vorgesehen, die Zahl der Schnellverfahren deutlich zu reduzieren. Flüchtlinge aus Ländern mit einer Anerkennungsquote schon ab fünf Prozent müssten dann nicht mehr in die Schnellverfahren an den Außengrenzen. Damit würde im Rahmen eines Solidaritätsmechanismus ein deutlich größerer Teil der Ankommenden auf andere EU-Staaten verteilt werden. Doch ob sich die betroffenen Länder auf eine so vage Formulierung einlassen werden, ist nach wie vor fraglich.