EU-Verteidigungsminister "Wir hätten mehr tun können"
Nach ihrem informellen Treffen im spanischen Toledo ziehen die EU-Verteidigungsminister eine gemischte Bilanz. Die baltischen Staaten kritisierten zögerliche Ukraine-Hilfen. Thema waren auch die Putsche in Gabun und Niger. Als Nächstes tagen die Außenminister.
Zu wenig, zu spät, zu zögerlich - vor allem aus den baltischen Staaten kommt Kritik am Munitionsnachschub für die Ukraine. Eine Million Artillerie- und Flugabwehrgeschosse innerhalb eines Jahres hatte die EU versprochen - ist davon aber noch weit entfernt. "Wir alle könnten mehr tun, wir alle könnten besser sein", sagt die lettische Verteidigungsministerin Inara Murniece.
Ihr estnischer Amtskollege Hanno Pevkur verweist darauf, dass die EU bisher weniger als ein Viertel der versprochenen Munition tatsächlich geliefert hat. Er ruft die Mitgliedsstaaten dazu auf, eigene Vorratslager zu durchforsten, alte Geschosse zu modernisieren und bei Drittstaaten einzukaufen. "Ansonsten werden in der Ukraine weitere Menschen ihr Leben verlieren."
Binnenmarktkommissar "zuversichtlich"
Binnenmarktkommissar Thierry Breton zeigt sich deutlich optimistischer. Er glaube, dass die EU ihr selbstgestecktes Ziel erreicht. Auch dank eines neuen Förderprogramms für Rüstungsunternehmen, mit dem der Ausbau von Produktionskapazitäten angekurbelt werden soll. Europa müsse in der Lage sein, jedes Jahr mehr als eine Million Geschosse herzustellen - auch, um die eigenen Vorräte wieder aufzufüllen.
"Wir sind dabei, über die Anträge aus den Mitgliedsstaaten zu entscheiden, und ich bin zuversichtlich, dass wir die Kapazitäten drastisch aufstocken und unsere Zusagen an die Ukraine einhalten können", so Breton. Die Niederlande und Rumänien wollen demnächst mit der Ausbildung ukrainischer Piloten beginnen, damit die zugesagten Kampfflugzeuge des Typs F 16 möglichst schnell eingesetzt werden können.
Borrell plant mehr Finanzhilfen
Die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren erwähnt, dass die Niederlande und Rumänien eine Vereinbarung mit dem Rüstungskonzern Lockheed Martin unterschrieben haben. Damit könne die Ausbildung von Piloten und Wartungspersonal in einem rumänischen Trainingszentrum starten. "Das ist ein konkreter Schritt der europäischen F-16-Koalition, um die Luftverteidigung der Ukraine zu stärken", so Ollongren.
Um der Ukraine dauerhafte Unterstützung garantieren zu können, will EU-Chefdiplomat Josep Borrell den Europäischen Friedensfonds, aus dem ein Großteil der Rüstungslieferungen und Ausbildungsmissionen finanziert wird, kräftig aufstocken. Er denke in den nächsten vier Jahren an bis zu 20 Milliarden Euro extra, damit die Hilfe weitergehen kann. "Jetzt, nach dem Krieg, beim Wiederaufbau und um die Sicherheit der Ukraine zu garantieren."
Deutschland, Frankreich und andere Staaten haben grundsätzlich ihre Unterstützung signalisiert. Wo das Geld im Einzelnen herkommen soll, muss allerdings in Zeiten knapper Kassen noch geklärt werden. Denkbar wäre unter anderem, Mittel aus dem regulären Haushalt umzuschichten.
Offen ist auch, ob Ungarn die Aufstockung mitträgt. Das Land blockiert schon seit Längerem die Auszahlung von 500 Millionen Euro an die Ukraine, weil Kiew eine ungarische Großbank als Kriegsunterstützer führt. Beim Rest der EU hält sich das Verständnis für die Regierung Viktor Orbans in engen Grenzen. Auch Ungarn müsse verstehen, sagt Estlands Verteidigungsminister Pevkur, "dass dieser Krieg entscheidend ist für die Zukunft von Europas Sicherheit".
Sorge um Sicherheitslage in Afrika
Sorgen machen der EU die Militärputsche in Afrika. Borrell befürchtet, dass auch die Machtübernahme durch die Armee in Gabun die Instabilität der Region noch einmal erhöht. Gegen die Militärführung in Niger und ihre Unterstützer sind Sanktionen im Gespräch. Eine entsprechende deutsch-französische Initiative könnte schon am Donnerstag beim Treffen der EU-Außenministerinnen und -minister offiziell auf den Weg gebracht werden.