EU-Wahl in den Ländern Europa der Unterschiede
Rund 427 Millionen Menschen waren in der EU aufgerufen, das neue Europaparlament zu wählen. Die Wahlbeteiligung war in allen Ländern hoch - die Ergebnisse sind jedoch völlig unterschiedlich. Eine Übersicht.
Frankreich
Die liberale Bewegung En Marche von Präsident Emmanuel Macron kam auf 22 Prozent der Stimmen und blieb damit hinter dem rechts-nationalistischen Front National von Marine Le Pen (rund 23 Prozent). Das Pro-EU-Lager konnte sich auf die Grünen im Land stützen, die überraschend den dritten Platz erreichten (14 Prozent).
Le Pen sprach von einem "Sieg des Volkes" und forderte Macron auf, die Nationalversammlung aufzulösen. Das würde eine Neuwahl bedeuten.
En Marche und Front National werden nach den offiziellen Zahlen des Innenministeriums beide je 23 Abgeordnete ins EU-Parlament entsenden.
Großbritannien
In Großbritannien, das wegen des verschobenen EU-Austritts mitwählte, hat die Brexit-Partei von Nigel Farage mit etwa 33 Prozent klar gewonnen. Zweiter wurden die proeuropäischen Liberaldemokraten (rund 20 Prozent). Der oppositionellen Labour Party reichten 14 Prozent für den dritten Platz.
Die regierenden Tories der scheidenden Premierministerin Theresa May mussten sich mit gerade mal neun Prozent mit einem fünften Platz begnügen - noch hinter den Grünen, die auf zwölf Prozent kamen.
Für den Wahlsieger Farage ist eine Sache klar: Er will bei den Brexit-Gesprächen mitverhandeln. "Ich bestehe darauf, dass wir ein Mandat haben, an diesen Gesprächen beteiligt zu werden", so Farage. "Wir haben Frauen und Männer aus der Geschäftswelt mit großer Erfahrung, die der Regierung dabei helfen können, sich auf den 31. Oktober vorzubereiten, indem sie Teil dieses Teams werden." Dass sich die regierenden Konservativen darauf einlassen, ist im Moment zu bezweifeln.
Italien
Die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini ist zur stärksten politischen Kraft in Italien geworden. Von gerade einmal sechs Prozent bei der Europawahl 2014 steigerte sie nun ihre Stimmenanteile auf deutlich über 30 Prozent. Gleichzeitig verlor der Koalitionspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung, fast die Hälfte ihrer Stimmen.
Damit haben sich die Kräfte in der italienischen Regierung umgekehrt. Aus dem Juniorpartner Lega ist die dominierende Kraft geworden. Salvini erhöhte zuletzt den Druck auf den Koalitionspartner und scheint bereit zu sein, in Rom die Machtfrage zu stellen. Möglich wäre eine Koalition mit der postfaschistischen Fratelli d’Italia.
Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega. Unter ihm ist die Partei zur stärksten politischen Kraft in Italien geworden
Polen
Mit überraschend großem Vorsprung hat die nationalistische PiS die Europawahlen für sich entschieden. Laut dem amtlichen Ergebnis erhielt die PiS 45,4 Prozent der Stimmen. Sie liegt weit vor dem Oppositionsbündnis Europäische Koalition mit 38,5 Prozent - der politischen Heimat von EU-Ratspräsident Donald Tusk.
Das Rechtsaußen-Bündnis Konföderation verfehlte demnach überraschend die in Polen geltende Fünf-Prozent-Hürde. Ebenfalls mit Abgeordneten im Europaparlament vertreten ist die linksliberale Partei Frühling, eine Neugründung um den Politiker Robert Biedron.
Ungarn
Die rechtsnationale Fidesz-Partei von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat sich bei der Europawahl klar durchgesetzt. Sie kommt auf 13 der 21 ungarischen Mandate im EU-Parlament, wie die nationale Wahlkommission nach Auszählung fast aller Stimmen am Sonntagabend mitteilte.
Auf die linke Demokratische Koalition von Ex-Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány entfielen demnach vier Sitze, auf die liberale Momentum-Bewegung zwei Mandate. Sowohl ein links-grüne Bündnis und die rechtsextreme Jobbik-Partei bekamen jeweils einen Sitz. Die Wahlbeteiligung in Ungarn lag bei mehr als 43 Prozent - der höchste Wert bei einer Europawahl in dem Land.
Spanien
Die sozialdemokratische Partei PSOE des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Sanchez kommt auf knapp 33 Prozent der Stimmen - und hat ihr Ergebnis der spanischen Parlamentswahl vor einem Monat noch einmal verbessert. Damit ist Spanien - neben Schweden - das einzige der großen EU-Länder, in dem Sozialdemokraten die Europawahl gewonnen haben. Nach den Worten von Sanchez muss nun ein soziales Europa geschaffen werden - vor allem mit dem Blick auf die Arbeitswelt.
Auch die konservative Volkspartei konnte im Vergleich zur Parlamentswahl in Spanien etwas aufholen und erreicht gut 20 Prozent. Stimmen verloren haben dagegen die kleineren Parteien, wie die rechts-liberalen Ciudadanos, die Linkspartei Podemos und die rechtsextreme Kraft Vox. Die separatistische Partei von Kataloniens Ex-Regionalpräsident Puigdemont kommt auf viereinhalb Prozent - der Spitzenkandidat erreicht damit ein Mandat im Europaparlament.
Niederlande
Die Sozialdemokraten um Frans Timmermans, der als europäischer Spitzenkandidat auch für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten kandidiert, wurden mit knapp einem Fünftel der Stimmen stärkste Partei. Zählt man die anderen Gruppierungen der Mitte zusammen, stimmten in den Niederlanden mehr als zwei Drittel für sie.
Der Rechtspopulist Geert Wilders erlitt eine herbe Schlappe. Seine "Partei für die Freiheit" (PVV) wird nicht mehr im Europäischen Parlament vertreten sein, wie aus dem vorläufigen Endergebnis hervorgeht. Die Partei war bislang mit vier Sitzen vertreten, erzielte nun aber diesmal nur rund 3,5 Prozent der Stimmen - zu wenig für ein Mandat.
Kurioserweise wird die Wilders-Partei, die den Austritt der Niederlande aus der EU will, vom Brexit profitieren. Wenn Großbritannien die EU tatsächlich verlässt, werden die Niederlande drei zusätzliche Mandate bekommen - eines davon kommt der PVV zu.
Der Sozialdemokrat Frans Timmermans kandidiert für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Seine Partei kam auf knapp ein Fünftel der Stimmen.
Dänemark
Die Dänen haben am deutlichsten gegen den Rechtstrend in Europa gewählt. Die bei der vergangenen Europawahl noch siegreiche euroskeptische Dänische Volkspartei verlor mehr als die Hälfte der Stimmen und landete mit gut zehn Prozent auf dem vierten Platz nach den überraschend siegreichen Liberalen der Venstre-Partei, den Sozialdemokraten, die ebenfalls zugelegt haben, und der Sozialistischen Volkspartei.
Schweden
In Schweden haben die Sozialdemokraten bei leichten Verlusten ihre Führung verteidigt vor den bürgerlichen "Moderaten" und den rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die zwar von knapp zehn auf über 15 Prozent kamen, aber schwächer waren als bei der Parlamentswahl im vergangenen Herbst.
Finnland
Die konservative Nationale Sammlungspartei siegte in Finnland vor den überraschend erfolgreichen Grünen und den Sozialdemokraten. Die populistischen "Finnen" landeten mit knapp 14 Prozent auf dem vierten Platz.
Estland
In Estland gewann die Opposition die Hälfte der sechs estnischen Sitze - die oppositionelle wirtschaftsliberale Reformpartei holte zwei Mandate, die Sozialdemokraten erhielten ein Mandat.
Die drei Regierungsparteien - darunter die rechtspopulistische Estnische Konservative Volkspartei (EKRE) - schicken je einen Abgeordneten nach Straßburg und Brüssel.
Lettland
In Lettland erhielten zwei der fünf Regierungsparteien jeweils zwei Sitze, genauso so viel wie die oppositionelle Partei Harmonie. Die beiden restlichen Mandate gehen an die mitregierenden Liberalen und die Russische Union Lettlands.
Damit gewann im mittleren Baltenstaat erneut eine klar prorussische Partei ein Mandat im EU-Parlament. Der in Lettland zur Europawahl angetretene AfD-Bundestagsabgeordnete Waldemar Herdt verfehlte dagegen ein Mandat.
Litauen
Die Litauer haben ebenfalls vor allem Konservative und Sozialdemokraten gewählt. Dazu kam eine Stichwahl, in der sie über ihr neues Staatsoberhaupt abstimmten. Es ist der parteilose Wirtschaftswissenschaftler Gitanas Nauseda. Er lag mit gut 70 Prozent klar vor der ehemaligen Finanzministerin Ingrida Simonyte.
Nauseda gilt im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Dalia Grybauskaite als Integrationsfigur und will sich für die Stärkung von Wirtschaft und Wohlfahrtsstaat einsetzen.
Kroatien
Die konservative Regierungspartei HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) hat die Europawahl in Kroatien trotz Verlusten gewonnen. Nach Angaben der staatlichen Wahlkommission vom späten Sonntagabend kam sie auf 23 Prozent der Stimmen und errang fünf von elf Mandaten. Die HDZ gehört zur Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die Unionsparteien CDU und CSU angehören.
Die oppositionelle SDP (Sozialdemokraten) kam auf 18 Prozent der Stimmen und drei Mandate.