Prozess zu Air-France-Absturz Scharfe Kritik an Staatsanwaltschaft
Im Prozess um den Absturz einer Air-France-Maschine zwischen Rio und Paris im Jahr 2009 sieht sich die Staatsanwaltschaft außerstande, eine Verurteilung zu fordern. Auf "unschuldig" aber hat sie auch nicht plädiert.
Fassungslos haben die Angehörigen der Opfer und ihre Anwälte auf die Äußerungen der Staatsanwaltschaft reagiert. Sie hatte argumentiert, es sei unmöglich, die Schuld des Flugzeugbauers Airbus und der Fluggesellschaft Air France am Absturz der Maschine zwischen Rio und Paris nachzuweisen. Opferanwalt Alain Jakubowicz sagte entrüstet
Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich das erlebe. Ein Staatsanwalt, der geradezu ein Plädoyer für den Angeklagten hält. Der Staatsanwalt hat sich wie der Sprecher von Airbus verhalten. Sie haben es gehört: Alle seine Punkte waren die, die Airbus selbst vorgetragen hatte. Ausschließlich Entlastungsfakten, keine belastenden Fakten.
Auch Ohpélie Touliot, die ihren Bruder bei dem Flugzeugabsturz verloren hat, reagierte erschüttert:
Für uns ist das unerhört, unglaublich. Wir haben das Gefühl, hin und her geschoben zu werden, seit 13 Jahren, seit dem Absturz 2009, und seit dem Beginn dieses Prozess. Die Justiz sollte unparteiisch sein. Und hier hat sie die Argumente der Hauptangeklagten übernommen. Das ist absolut unfair.
Staatsanwaltschaft sympathisiert mit Angehörigen
Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie wisse, dass ihre Position für die Angehörigen der 228 Opfer des Absturzes nur schwer zu ertragen sei. Trotzdem sehe sie sich nicht in der Lage, die Verurteilung von Air France und Airbus zu verlangen.
Angeklagt sind die beiden Unternehmen wegen fahrlässiger Tötung. Im Fall einer Verurteilung müssen sie mit Strafen von bis zu 225.000 Euro rechnen. Im Prozess sollte geklärt werden, ob Airbus und Air France ein bekanntes Problem mit den Geräten zur Geschwindigkeitsmessung unterschätzt hatten. Ein erstes Verfahren war 2019 eingestellt worden.
Staatsanwaltschaft: Absturz ein menschliches Drama
Die beiden Konzerne sind der Auffassung, dass sie keine strafrechtlichen Fehler begangen haben. Eine der Staatsanwältinnen betonte am Abend, es gebe keinen Fehler, keine Nachlässigkeit, keine direkte Verbindung der Konzerne mit der Katastrophe. Dieser Absturz sei vor allem ein menschliches Drama. Opferanwalt Alain Jakubowicz nannte diese Haltung unehrenhaft.
Die Staatsanwaltschaft verhält sich unlauter gegenüber den Opfern und ihren Familien. Unlauter und pflichtwidrig gegenüber uns Nebenklägern. Man hat hier einfach alles verdreht.
Die Staatsanwaltschaft habe mit ihrem Plädoyer die Opfer ein zweites Mal getötet, sagte die Vorsitzende einer Opfervereinigung Danièle Lamy dem ARD-Studio Paris am Abend. All ihre Hoffnung ruhe nun darauf, dass die Richter für ihr objektiv und unparteiisch bleiben. Die Urteilsverkündung, die eigentlich für Mittwoch anberaumt war, wurde vertagt.