Illegale Migration nach Frankreich "Ich werde es wieder probieren"
An Frankreichs Grenze zu Italien wurden bis Mitte Oktober etwa 35.000 Menschen festgenommen, die versucht haben, irregulär nach Frankreich zu kommen. Ein Bericht von der Grenze über die Migranten und ihre Helfer.
Für sieben Jungs ist an diesem Morgen Endstation am Bahnhof Menton-Garavan. Sie hatten versucht, mit dem ersten Zug des Tages von Ventimiglia über die Grenze zu kommen - und wurden von der französischen Grenzpolizei erwischt, die jeden Zug aus Italien kontrolliert.
Die Beamten vor Ort dürfen keine Fragen beantworten. In französischen Medien haben sich Vertreter der Grenzpolizei aber geäußert - Philippe Vicente zum Beispiel. Nur wenige Migranten hätten Ausweisdokumente dabei. Manchmal sei es auch eine abgelaufene Aufenthaltserlaubnis aus Italien, sagte Vicente im Radiosender France Bleu. Aber sie erfüllten nicht die Voraussetzungen, um nach Frankreich einreisen zu dürfen.
"Wenn wir diese Menschen an einem der offiziellen Grenzübergänge aufgreifen - zum Beispiel dem Bahnhof - dann bringen wir sie aufs Kommissariat der Grenzpolizei, wo ihnen dann offiziell die Einreise verweigert wird. Danach werden sie nach Italien zurückgeschickt", sagte Vicente.
Vier Fluchtversuche, viermal gescheitert
Viele hält das aber nicht davon ab, es immer wieder zu versuchen - wie Zinou zum Beispiel. Der junge Algerier hat den blauen Kapuzenpulli über den Kopf gezogen, um sich vor dem Regen zu schützen. Wir treffen uns in Ventimiglia auf der anderen Seite der Grenze. "Viermal habe ich es schon versucht - mit dem Zug oder durch die Berge, sagt Zinou. "Geklappt hat es nie - aber ich werde es wieder probieren."
Wer die strengen Zugkontrollen vermeiden will, nimmt zum Beispiel die Route durch das zerklüftete Roya-Tal. In den Bergen, knapp 50 Kilometer nördlich von Menton, liegt das 450-Seelen-Dorf Saorge. Hier warten Gibi und die Organisation Roya Citoyenne. Gibi ist ein freundlicher alter Herr, die langen grauen Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden. Seinen echten Namen nennt er offiziell nicht.
Roya Citoyenne helfe nie direkt beim Grenzübertritt, betont Gibi - das sei verboten. Aber: "Wenn diese Menschen zu uns kommen, dann sagen wir ihnen als Erstes, dass sie ihren Wunsch, einen Asylantrag zu stellen, aufschreiben sollen - und das geben wir dann der Gendarmerie." Danach würden die Menschen dann zur Grenzpolizei nach Menton gebracht, die ihnen dann einen Termin bei den Behörden in Nizza besorge, wo sie den Antrag stellen könnten.
"Es sind die Behörden, die sich nicht ans Gesetz halten"
Oft würden die Menschen zurückgeschickt, ohne überhaupt die Möglichkeit zu haben, einen Asylantrag zu stellen, sagt Gibi. Die Arbeit der Organisation sei nicht illegal - anders, als einige es ihnen vorwerfen.
"Es sind doch die Behörden, die sich nicht an das Gesetz halten! Mit dem, was wir als Organisation machen, versuchen wir nur, das bestehende Recht anzuwenden", so Gibi. "Diese Regeln sind nicht so schlecht - wenn sie denn angewandt würden und wir uns um die Aufnahme der Menschen kümmern würden anstatt darum, sie direkt zurückzuschicken."
Behörden dürfen nicht direkt zurückschicken
Laut der so genannten EU-"Rückkehr-Richtlinie" von 2008 haben Menschen auch nach einer unerlaubten Einreise zwischen sieben und 30 Tage Zeit, das Land zu verlassen. Das heißt, die Behörden dürfen sie nicht direkt an der Grenze zurückschicken.
Die Präfektur schreibt auf Anfrage: "Die Grenzpolizei drängt Migrantinnen und Migranten nicht zurück. Es handelt sich vielmehr um Einreiseverweigerungen für Menschen, die irregulär nach Frankreich kommen und an der französisch-italienischen Grenze aufgegriffen werden."
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung von Ende September erklärt, dass die französische Praxis gegen die Rückkehr-Richtlinie verstößt, weil Menschen nicht systematisch direkt an der Grenze zurückgeschickt werden können. Inwieweit diese Entscheidung sich konkret auf die Arbeit der französischen Grenzbehörden auswirkt, ist bisher aber unklar.
Den Jungs, die in Menton im Zug erwischt wurden, hilft das nicht. Für die meisten von ihnen endet der Wunsch, nach Frankreich zu kommen, an diesem Morgen im Büro der Grenzpolizei.