Nach Hochwasser Land unter in Griechenlands Kornkammer
Das Hochwasser geht zurück, der Schaden für Griechenland hält an: Allein in Thessalien ist laut Experten mehr als ein Fünftel der landwirtschaftlichen Produktion verloren - mit Folgen für Versorgung und Preise im ganzen Land.
Prächtig sehen die Tomaten aus, die Christos Leos an seinem Stand auf einem der Athener Wochenmärkte anbietet. Doch so richtig zufrieden ist er mit der Ernte zurzeit nicht und deutet auf eine Kiste, die er hinter seinem Verkaufstisch stehen hat. Sie ist voller Tomaten mit schwarzen und fauligen Stellen. "Das kommt vom Regen", sagt er. Das Unwettertief Daniel hat also auch auf seinen Tomaten Spuren hinterlassen. Betroffen von dem heftigen Regen waren weite Teile Griechenlands - aber keine Region so sehr wie Thessalien. Dort wurde eine Fläche in etwa so groß wie Hamburg überschwemmt.
Die Region gilt als Kornkammer des Landes: Dort werden nicht nur zahlreiche Früchte angebaut, sondern auch Nüsse und Getreide. Außerdem kommen 40 Prozent der weichen Käse des Landes von dort, darunter auch Feta. Aus Thessalien sollen eigentlich auch bald Äpfel und Birnen für den Wochenmarkt in Athen ankommen, erzählt Leos, der auch Vorstand des Wochenmarkts ist. Doch ob etwas kommt, ist unklar: "Wir wissen noch nicht, ob die Bauern die Ernte schon vor dem Unwetter einfahren und in die Kühlhäuser bringen konnten. Wenn ja, dann wird es keine Knappheit geben", erzählt er.
Ein leergefegter Gemüsestand auf einem Markt in der Stadt Larissa.
Grundnahrungsmittel bald knapp und teuer?
Aktuell sei aber ohnehin das größte Problem, dass das Straßennetz zerstört worden sei. So würden in Zagora, wo besonders viel Regen niederging, Äpfel angebaut. Die könnten - selbst wenn sie das Unwetter überstanden haben - schlicht nicht geliefert werden, so Leos.
"Wenn es weniger Äpfel und Birnen gibt dieses Jahr, dann ist das verkraftbar. Dann kann man eben nur ein statt zwei Kilo davon kaufen", sagt er. "Aber was ist mit anderen Lebensmitteln wie Getreide? Oder Oliven?" Er befürchtet, dass diese Grundnahrungsmittel infolge des Hochwassers knapper und damit teurer werden könnten.
Ähnliche Befürchtungen hat auch Telemachos von einem kleinen Bio-Supermarkt in Athen, einer Kooperative. Von seinen Partnern weiß er, dass nicht nur die Ernte verloren gegangen ist, sondern auch das Verpackungsmaterial und Geräte, die sie für die Landwirtschaft brauchen: "Jetzt merken wir noch nichts davon, aber ich denke, in zwei bis drei Monaten werden wir die ersten Preissteigerungen sehen."
Auch Zehntausende Nutztiere ertrunken
Neben dem Ackerbau ist auch die Fleisch- und Milchproduktion betroffen: Knapp 200.000 Tiere sind bei dem Hochwasser ertrunken, darunter mehr als 60.000 Schafe und Ziegen, 20.000 Schweine und 5.000 Kühe. In der Athener Markthalle ist davon aktuell noch nichts zu sehen: Die Tiere, die hier aktuell geschlachtet am Haken hängen, kommen nicht aus Thessalien, sondern aus näher gelegenen Regionen.
Doch zu den großen Feiertagen, etwa an Weihnachten und Ostern, bekommen sie normalerweise auch aus Thessalien Fleisch, sagt Andreas Niotos, der Vorstand des Athener Fleischermarkts: "Bestimmt wird es Preiserhöhungen geben, wir wissen aber nicht wie hoch, das können wir nicht berechnen."
Deutlich früher noch könnte es bei Milch und Käse zu einer Verknappung und höheren Preisen kommen, schätzt der Vorsitzende der Vereinigung der Fleischer Griechenlands, Savvas Kesidis. Im Interview mit dem staatlichen Sender ERT sagte er: "Wir werden uns noch über Milchpulver freuen."
Fünf Jahre, bis wieder etwas wächst?
Efthymios Lekkas, Professor für Geologie und Geoumwelt an der Universität Athen, schätzt, dass mit dem Hochwasser in Thessalien etwas mehr als 20 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion Griechenlands zerstört worden sind. Er befürchtet, dass es noch lange dauern könnte, bis die Landwirtschaft wieder auf die Beine kommt - denn Ställe und Melkmaschinen sind zerstört. Mancherorts könnte es bis zu fünf Jahren dauern, bis wieder etwas auf den Feldern wächst.
"Es gibt auf den Feldern Ablagerungen von Ton und Schlamm teilweise, mit einem halben Meter Höhe. Auf diesen Ablagerungen kann man kein Getreide anbauen, weil sie keinen Humus enthalten", sagt er. Das sei keine normale Erde, die man bewirtschaften könne. Es werde sehr lange dauern, bis sich der Boden wieder erholt habe.
Dass es über fünf Jahre dauern könnte, bis manche Bauern ihr Land wieder bestellen können, bezeichnet Tomatenhändler Christos Leos als "Katastrophe" - für Händler und Konsumenten, aber vor allem auch für die betroffenen Landwirte: "Stellen Sie sich vor, Sie sind Landwirt und fünf Jahre ohne Arbeit. Jetzt gibt es dieses Jahr wahrscheinlich eine Entschädigung, okay. Aber was passiert im nächsten Jahr? Und die Jahre darauf?"