Meistertitel für SSC Neapel "33 Jahre lang haben wir darauf gehofft"
Ekstase in einer gebeutelten Stadt: Nach Jahrzehnten ist Neapel wieder italienischer Meister. Für die Menschen ist das eine Genugtuung. Bei den Feiern gab es aber auch einen Toten und viele Verletzte.
Auf diese Freude haben sie 33 Jahre lang gewartet. Auf der Piazza del Plebiscito im Zentrum Neapels wurden Freudenfeuer gezündet, als der Titelgewinn endlich feststand.
Beim letzten Triumph war noch Diego Armando Maradona im Team gewesen. "Damals waren wir Kinder. 33 Jahre haben wir darauf gehofft, jetzt ist es ein unglaubliches Gefühl. Wir lieben unsere Stadt und diese Nacht gehört uns", freut sich eine Frau.
Freudentänze in der Innenstadt
Nach dem Schlusspfiff beim Auswärtsspiel in Udine strömten in Neapel Hunderttausende Menschen in die Innenstadt, um mit Knallkörpern, Sprechchören und Tröten, mit bengalischen Feuern, Fahnen und Freudentänzen den Meistertitel zu feiern. "Zum Glück haben wir es jetzt geschafft. Ein großartiges Neapel! Wir haben gezeigt, dass wir Schwierigkeiten überwinden können. Es hat nicht nur die Mannschaft gewonnen, sondern das große Volk von Neapel", sagt ein Fan.
Für die Menschen in der süditalienischen Metropole, wo Fußball so intensiv gelebt wird wie in wenigen anderen Städten, ist der Titelgewinn nicht nur Freude, sondern auch Genugtuung. "Es ist eine Stadt, die häufig falsch dargestellt wird", meint ein Mann. Von Kriminalität und davon was dort nicht funktioniere, werde geredet. "Heute Abend aber sieht man, was Neapel ist: eine großartige Stadt, Menschen mit großem Herz."
Die Meisterfeier in Neapel ist von Ausschreitungen überschattet worden. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet unter Verweis auf die Polizei, dass es einen Toten gab. Der 26-Jährige sei mit Schusswunden in einem Krankenhaus gestorben, wo er bereits in schlechtem Zustand eingeliefert worden war.
Unklar ist, er gezielt angeschossen wurde oder ob ihn jemand versehentlich traf. Drei weitere Menschen kamen mit Schussverletzungen in die Klinik. Ersten Erkenntnissen zufolge waren sie in demselben Vorfall involviert.
Insgesamt seien mehr als 200 Menschen in Notaufnahmen gekommen, berichtete die "Gazzetta dello Sport", rund 100 davon mit mittelschweren und schweren Verletzungen. Viele Menschen verletzten sich durch Pyrotechnik an den Händen, auch etliche Stichwunden wurden verzeichnet. Auch Verletzungen an den Augen und im Gesicht wegen der Explosionen von Feuerwerkskörpern und Rauchvergiftungen wurden registriert.
Spalletti musste lange auf Anerkennung warten
Während sich Neapel die ganze Nacht dem Freudenrausch hingab, stand in Udine einer, der es auch lange nach Schlusspfiff nicht schaffte, sich richtig zu freuen: der Vater dieser unerwarteten Meisterschaft - Neapels Trainer Luciano Spalletti.
Für diejenigen, die es gewohnt seien, immer hart zu arbeiten, sei es ein Problem, sich ungebremst zu freuen - nicht einmal im Moment des Sieges, erklärte er. "So bin ich nun mal. Ich weiß, es ist ein Limit, weil es natürlich ein bisschen von dem Glücksgefühl nimmt, das du eigentlich haben müsstest."
Spalletti betont häufig, dass er aus einfachen sozialen Verhältnissen kommt. Als Trainer bekam er lang wenig Anerkennung, weil er es als aktiver Fußballer nur in der dritten Liga spielte. In den vergangenen Jahren aber hat Spalletti als Trainer den italienischen Fußball revolutioniert: Das offensive Spiel Neapels lobte unter anderem Trainerikone Pep Guardiola als den zurzeit schönsten Fußball Europas.
Nach dem Schlusspfiff beim Auswärtsspiel in Udine strömten in Neapel Hunderttausende Menschen in die Innenstadt, um mit bengalischen Feuern, Fahnen und Freudentänzen den Meistertitel zu feiern.
Ex-Wolfsburger erzielte das entscheidende Tor
Neapels Kapitän Giovanni Di Lorenzo war nach dem Schlusspfiff in Udine einfach nur erleichtert. "Seit Saisonbeginn haben wir dafür gekämpft", sagte er. "Jetzt ist es endlich perfekt und es ist ein superverdienter Titelgewinn." Die Mannschaft habe eine außergewöhnliche Meisterschaft gespielt und sie auf die beste Art und Weise beendet.
Über Monate dominierte die SSC Neapel mit mitreißendem Fußball die italienische Liga. Durch das 1:1 in Udine hat sich die Mannschaft nun den noch einen fehlenden Punkt erkämpft - wieder einmal dank eines Tores des ehemaligen Wolfsburgers Victor Osimhen. "Niemand hat nach dem Verlauf dieser Saison den Titel mehr verdient als wir", meint er. "Wir haben unser Herz gegeben, wir waren die Underdogs, die Außenseiter. Zu Beginn der Saison haben nicht viele an uns geglaubt."
Das letzte Mal holte Neapel den Titel mit dem legendären Spieler Diego Maradona Anfang der 1990er-Jahre. Nach Jahrzehnten sitzt nun wieder ein Team aus dem Süden auf dem Thron.
Spalletti: "Große Verantwortung, diesen Erfolg zu erreichen"
Für den italienischen Fußball ist der Erfolg der Süditaliener ein Einschnitt. Nach Jahrzehnten, in denen immer Mannschaften aus dem reichen Norden den Titel gewannen, sitzt jetzt Neapel auf dem Thron.
Und Spalletti hofft, dass in der Stadt, die immer noch von Armut und hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist, der Sieg im Fußball mehr bewirken kann als Freude für eine Nacht bei den Neapolitanerinnen und Neapolitanern.
"Es wird viele von diesen Menschen geben, die es vielleicht schaffen, schwierige Situationen ihres Lebens zu überwinden, weil sie an diesen Moment denken, wie man Schwierigkeiten überwinden kann", sagte er. "Für uns war es eine große Verantwortung, diesen Erfolg zu erreichen, weil diese Menschen das Recht haben, sich auf diese Weise zu freuen."