Journalisten in der Ukraine Berichterstattung unter Lebensgefahr
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind bereits fünf Journalistinnen und Journalisten bei Kämpfen getötet worden. Die Reporter vor Ort berichten unter extremen Bedingungen.
Ein britisches Fernsehteam gerät bei Tschernihiw ins Kreuzfeuer zwischen russischen und ukrainischen Streitkräften. Bei der Fahrt in die umkämpfte Stadt, nördlich von Kiew, wird das Auto der Journalistinnen und Journalisten von Granatsplittern getroffen. Das Team springt aus dem Wagen und geht in Deckung, wie auf Filmmaterial zu sehen ist, das von der Nachrichtenagentur AP verbreitet wurde. Trotz der extremen Bedingungen konnte das Team die Fahrt fortsetzen.
In anderen Fällen hatten Medienschaffende in den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine weniger Glück.
Fünf Journalistinnen und Journalisten sind seit Beginn des russischen Angriffs am 24. Februar getötet worden, zwei ukrainische und drei ausländische. Wie die Organisation Reporter ohne Grenzen mitteilte, war das jüngste Opfer eine der wenigen russischen Journalistinnen in der Ukraine, Oksana Baulina. Sie wurde am 23. März in der Hauptstadt Kiew von einer sogenannte Kamikaze-Drohne getötet, ein mit Sprengstoff bestücktes Flugobjekt.
Offenbar Entführungen und Folter ukrainischer Journalisten
Die Arbeitsbedingungen für Journalisten seien, insbesondere an der Front, erschreckend, sagt Alexander Query, der in Lwiw die ukrainische Sektion von Reporter ohne Grenzen vertritt.
Es sei sehr schwer, über diesen Konflikt zu berichten, sowohl für ausländische als auch für ukrainische Journalisten. Für ukrainische Journalisten sei es noch gefährlicher, denn in Gebieten, die von den russischen Streitkräften erobert wurden, würden sie schikaniert, verhaftet, manchmal gefoltert und entführt. Das sei völlig inakzeptabel und stelle ein Kriegsverbrechen dar.
Mindestens elf verletzte Journalistinnen und Journalisten
Mitte März wurden zwei Journalisten getötet, als ein Team des US-Fernsehsenders Fox News bei Kiew unter Artilleriefeuer geraten war. Ein amerikanischer Dokumentarfilmer ist durch Schüsse ums Leben gekommen, als er nordwestlich von Kiew mit seinem Auto unterwegs war.
Und der erste in diesem Krieg getötete Journalist war ein ukrainischer Kameramann, der für den lokalen Fernsehsender Kiew TV gearbeitet hat. Er kam beim Einschlag russischer Raketen auf den Fernsehturm in der Hauptstadt am 1. März ums Leben.
Mindestens elf Journalistinnen und Journalisten wurden den Angaben zufolge verletzt.
Journalisten wollen auf Gefahren aufmerksam machen
Vor dem Medienzentrum in Lwiw, im Westen der Ukraine, gab es vor wenigen Tagen eine Veranstaltung, bei der Fotos der getöteten Journalistinnen und Journalisten auf eine große Leinwand projiziert wurden. Eine Ausstellung auf dem Rathausplatz dokumentiert die Gefahren für Journalisten, die derzeit in der Ukraine arbeiten.
"CALL THE WAR A WAR" - so der Titel, in Anlehnung an die russische Propaganda, die den Überfall auf die Ukraine als eine "militärische Sonderoperation" bezeichnet.
Aktivisten, Journalisten und auch Amtsträger des Staates, darunter Bürgermeister, werden von den Russen als Geiseln genommen. Wir wissen von mehr als 50 solcher Fälle. 30 werden noch immer irgendwo festgehalten. Wir wissen nicht, wo und wie es ihnen geht. Diese Kampagne soll dazu beitragen, dass die ganze Welt dafür eintritt, solche Kriegsverbrechen zu stoppen.
Reporter ohne Grenzen hat nach eigenen Angaben bereits drei Beschwerden beim Internationalen Strafgerichtshof in den Haag eingereicht gegen die russischen Streitkräfte, wegen der Entführung und Gefangennahme von Journalisten.
In einem Fall war ein ukrainischer Reporter neun Tage lang festgehalten worden. Er sei mit einer Eisenstange geschlagen und mit Strom gefoltert worden, hieß es. Außerdem sei ihm die Hinrichtung angedroht worden. Reporter ohne Grenzen hat die Aussagen des Reporters umfangreich verifiziert und dokumentiert.
Ungewollt zum Kriegsberichterstatter
Aber auch die Arbeit fernab der Kampfgebiete birgt Gefahren für Journalisten. Es wurden bereits zahlreiche Fälle bekannt, in denen Reporter in Schwierigkeiten geraten waren, weil sie beispielsweise militärische Fahrzeugkonvois fotografiert oder gefilmt hatten oder die Orte, an denen russische Raketen eingeschlagen waren - unter anderem vor kurzem in einem Treibstoffdepot in Lwiw.
Solche Vorfälle sind meist Missverständnisse, die mit der Sorge der Behörden und der ukrainischen Öffentlichkeit zusammenhängen, dass Saboteure oder russische Spione unterwegs sein könnten. Manche Journalisten werden auch von normalen Bürgern auf der Straße angegangen, wenn sie entsprechende Fotos machen, weil auch die Bevölkerung das Fotografieren mit den Anschlägen in Zusammenhang bringt.
Im Zentrum für Pressefreiheit in Lwiw können Journalisten schusssichere Westen und Helme für Reisen ins Kampfgebiet ausleihen. Viele ukrainische Kolleginnen und Kollegen sind in den vergangenen Wochen zu Kriegsberichterstattern geworden, ohne dies je geplant zu haben oder für solche Einsätze ausgebildet worden zu sein.