Korruptionsvorwürfe im EU-Parlament Kaili verliert Befugnisse als Parlamentsvize
Die unter Korruptionsverdacht stehende EU-Parlamentsvizepräsidentin Kaili verliert ihre Befugnisse. Gegen vier Verdächtige in dem Fall gibt es nun Haftbefehle. Der Skandal erschüttert das EU-Parlament.
Die unter Korruptionsverdacht festgenommene griechische Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, verliert mit sofortiger Wirkung alle ihr in dieser Funktion übertragenen Befugnisse, Pflichten und Aufgaben. Dies entschied Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, wie eine ihrer Sprecherinnen mitteilte.
Eine endgültige Absetzung Kailis von dem Posten als Vizepräsidentin muss allerdings das Parlament selbst beschließen. Metsola hat die Fraktionsvorsitzenden nun zu einem informellen Treffen am Montagnachmittag eingeladen, wie die Nachrichtenagentur afp erfuhr.
Hintergrund sind Ermittlungen der belgischen Justiz zu mutmaßlicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Dabei gehe es um das Emirat Katar, den Gastgeber der laufenden Fußball-WM, berichten Medien übereinstimmend.
Am Freitag gab es deswegen 16 Durchsuchungen und über das Wochenende insgesamt sechs Festnahmen - darunter auch Kaili. Inzwischen hat die belgische Justiz Haftbefehl gegen vier Verdächtige erlassen. Ob Kaili dazu gehört, blieb allerdings offen. Man werde dazu keine weiteren Angaben machen, hieß es. Zwei weitere Festgenommene hat der Untersuchungsrichter wieder freigelassen.
Weitere Verdächtige sind italienischer Herkunft
Kaili war für die griechische Pasok-Partei ins Parlament gewählt worden, die zusammen mit der SPD zur sozialdemokratischen Fraktion gehört. Die ehemalige TV-Moderatorin ist mittlerweile das Gesicht des Skandals.
Zu den Verdächtigen gehört nach dpa-Informationen auch der Lebensgefährte der 44-Jährigen, der im Parlament als Berater für Außenpolitik und Menschenrechte arbeitet. Zudem ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein ehemaliger Europaabgeordneter unter den Festgenommenen. Medienberichten zufolge haben alle Verdächtigen außer Kaili die italienische Staatsangehörigkeit oder sind italienischer Herkunft.
Deutsche Abgeordnete fordern Rücktritt
Dem Parlament, das sich gern als Vorreiter im Kampf gegen Korruption sieht, droht ein ungeheurer Image-Schaden. Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley zeigte sich irritiert und enttäuscht über den Korruptionsskandal im EU-Parlament. "Wir tolerieren keine Korruption. Korruption ist Gift für die Demokratie", sagte die Vizepräsidentin des Parlaments in den tagesthemen. Eigentlich habe das Parlament strenge Regeln für die Arbeit von Lobbyisten, strengere als die meisten nationalen Parlamente. "Aber wenn wirklich kriminelle Energie im Spiel ist, dann hilft eben auch kein Verhaltenskodex und keine Offenlegungspflicht. Dann kann man nur mit den Mitteln des Strafrechts ran", sagte die SPD-Politikerin.
Der Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des EU-Parlaments, Daniel Freund, zeigte sich von den Ermittlungen schockiert und forderte, die Vorwürfe müssten lückenlos aufgeklärt werden. Sonst drohe ein Vertrauensverlust. "Und dabei ist das Europaparlament eigentlich eines der transparentesten in Europa. Unter diesen Voraussetzungen können wir keine Visafreiheit diskutieren für katarische Bürger in die EU, vorher muss geklärt werden, ob hier Einfluss genommen wurde auf Entscheidungen des EP oder der EU."
Ein Sprecher des EU-Parlaments bestätigte indessen, dass eine geplante Katar-Reise einer Gruppe von Abgeordneten des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten abgesagt werde. Die Abgeordneten hätten in zwei Wochen nach Katar und Saudi-Arabien reisen sollen - die Reise nach Saudi-Arabien findet nach wie vor statt.