Festgenommene EU-Parlamentsvize Kaili droht schnelle Absetzung
Nach ihrer Festnahme könnte die EU-Parlamentsvizepräsidentin Kaili ihr Amt schon in den kommenden Tagen offiziell verlieren. Medienberichten zufolge wurde für sie und drei weitere Personen U-Haft wegen Korruptionsverdachts angeordnet.
Die unter Korruptionsverdacht festgenommene griechische Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, könnte ihr Amt bereits in den kommenden Tagen offiziell verlieren. Nachdem Parlamentspräsidentin Roberta Metsola ihr mit sofortiger Wirkung alle mit dem Amt verbundenen Befugnisse, Pflichten und Aufgaben entzogen hat, sollen sich nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP am Montagnachmittag die Fraktionsvorsitzenden beraten. Das Parlament könnte die endgültige Absetzung Kailis in der am Montag beginnenden Plenarwoche in Straßburg formell beschließen.
Bislang war Kaili eine von insgesamt 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten. Durch die Korruptionsvorwürfe gegen sie und weitere Personen droht das EU-Parlament schwer in Misskredit zu geraten. Kaili soll Geld aus dem Golfstaat Katar kassiert haben, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Sie war am Freitag zusammen mit fünf anderen Verdächtigen festgenommen worden. Vier davon kamen nun per Haftbefehl in Untersuchungshaft - darunter nach übereinstimmenden Medienberichten auch die 44-Jährige.
Offenbar Taschen voller Bargeld gefunden
Bei den Durchsuchungen in Brüssel wurden am Freitag insgesamt 600.000 Euro Bargeld und Handys beschlagnahmt. Später fanden Ermittler in Kailis Wohnung Medienberichten zufolge Taschen voller Bargeld. Die belgische Zeitung "Le Soir" schrieb, die 44-Jährige sei auf frischer Tat - "in flagranti" - erwischt worden.
Festgenommen worden waren auch ein ehemaliger sozialdemokratischer Europaabgeordneter aus Italien, Antonio Panzeri, sowie Kailis italienischer Lebensgefährte. Wie "Le Soir" und das Magazin "Knack" berichteten, kamen beide ebenfalls in U-Haft. "Sie werden der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Korruption beschuldigt", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Zwei weitere Festgenommene ließ der Untersuchungsrichter wieder frei.
Durchsuchung auch bei belgischem EU-Abgeordnetem
Wie nun bekannt wurde, durchsuchten Ermittler am Samstagabend auch das Haus eines weiteren Europaabgeordneten. Medienberichten zufolge handelt es sich um den belgischen Sozialdemokraten Marc Tarabella. Seine Partei teilte am Sonntagabend mit, Tarabella vor ein parteiinternes Gremium zitiert zu haben. Er werde in den kommenden Tagen angehört.
Nach Angaben eines Sprechers von Parlamentspräsidentin Metsola kehrte die Politikerin am Samstagabend aus ihrem Heimatland Malta nach Brüssel zurück, um bei der Durchsuchung von Tarabellas Haus anwesend zu sein. Dies erfordere die belgische Verfassung, wenn es um einen Abgeordneten mit belgischer Staatsangehörigkeit gehe.
Kaili verteidigte Katar in einer Parlamentsrede
Geklärt werden muss nun, ob Kaili und die anderen Verdächtigen tatsächlich auf illegale Weise die Interessen Katars vertreten haben. Kaili fiel zuletzt mit einer eher ungewöhnlichen Haltung auf: Als das Parlament im November über eine Resolution diskutierte, die die WM in Katar kritisieren sollte, attestierte die Ex-Journalistin dem Land, Vorreiter in Sachen Arbeitsrechte zu sein. Die WM sei Beweis dafür, "dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Zudem beklagte sie, dass jeder, der mit Katarern spreche, der Korruption verdächtigt werde.
Der WM-Gastgeber steht seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Zahlreiche Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM nach Katar vergeben hatte, sind inzwischen der Korruption überführt. Katar selbst hat den Vorwurf der Bestechung jedoch stets bestritten.
Kaili stimmte über Visa-Regeln für Katar ab
Der Innenausschuss des Europaparlaments wiederum stimmte Anfang Dezember dafür, die Visa-Regeln für Katar und andere Länder zu erleichtern. Obwohl Kaili selbst kein Mitglied im Ausschuss ist, stimmte auch sie ab - zur Überraschung der eigenen Fraktion.
Nach Parlamentsregeln ist es zwar möglich, dass Abgeordnete bei Abstimmungen auch durch Nicht-Mitglieder ersetzt werden. SPD-Parlamentsvize Katarina Barley sagte jedoch dem ZDF: "Sie (Kaili) hat sich ganz nach hinten gesetzt, wo normalerweise nur Mitarbeitende sitzen - weit weg von unserer Fraktion. Man könnte auch sagen: Sie hat sich versteckt."
Das letzte Wort bei der Visa-Liberalisierung ist allerdings noch nicht gesprochen. Das Parlament muss darüber noch mit den EU-Staaten verhandeln. Der Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt, der für das Thema im Parlament zuständig ist, stellte bereits klar, in der aktuellen Situation könne es keine Visa-Liberalisierung geben.