EU-Korruptionsskandal "Schamloses Handeln"
Es könnte einer der größten Korruptionsskandale der vergangenen Jahre werden: Der Fall Kaili sorgt nicht nur in Brüssel für Entsetzen. Heute soll es im EU-Parlament um die Absetzung der Vizepräsidentin gehen. Aber viele fragen sich: Was kommt da noch?
Nach dem Korruptionsskandal im Europaparlament fordern Politiker einschneidende Konsequenzen - und befürchten weitere Enthüllungen zu möglichen Schmiergeldzahlungen des Golfemirats Katar. Er empfinde Zorn und Bitterkeit, "weil schamloses Handeln Einzelner die ganze Institution zu beschädigen droht", sagte der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer.
Empört äußerte sich auch der EU-Parlamentarier Dennis Radtke (CDU): "Die Scheichs aus Katar kaufen nicht nur für 200 Milliarden Dollar eine Fußball-WM und deren geldgierige Funktionäre und Protagonisten, jetzt machen sie auch vor Politikern nicht halt. Wer so vorgeht, will sich die Welt kaufen", sagte er der "Bild".
Radtke forderte die EU-weite Überprüfung und Erweiterung der Transparenz- und Lobbyregeln für Drittstaaten und von ihnen gegründeten Lobbyfirmen sowie einen Untersuchungsausschuss zur Klärung der Vorwürfe gegen Kaili.
Haftbefehl am Sonntag
Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, soll Geld aus dem Golfstaat Katar kassiert haben, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Die Sozialdemokratin aus Griechenland wurde zusammen mit fünf anderen Verdächtigen festgenommen. Vier davon kamen am Sonntag per Haftbefehl in Untersuchungshaft - darunter laut Medien auch Kaili selbst. Bei Durchsuchungen wurden insgesamt 600.000 Euro Bargeld und Handys beschlagnahmt. Später fanden Ermittler in Kailis Wohnung Medienberichten zufolge Taschen voller Bargeld.
Im Raum steht neben Vorwürfen der Bestechung und Bestechlichkeit auch der Verdacht der Geldwäsche. Kaili wurde von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola am Wochenende von all ihren Aufgaben entbunden. Formell muss die Entscheidung vom Parlament noch bestätigt werden. Die sozialdemokratische Fraktion - zu der auch die SPD-Abgeordneten gehören - suspendierte bereits ihre Mitgliedschaft. Ihre Partei schloss sie aus. Das EU-Parlament kommt heute zur ersten Plenarsitzung seit Bekanntwerden des Korruptionsskandals zusammen. Nach AFP-Informationen soll es "um Kailis Absetzung und weitere Schritte" gehen.
Mehrere Durchsuchungen
Festgenommen wurden auch ein ehemaliger sozialdemokratischer Europa-Abgeordneter aus Italien, Antonio Panzeri, sowie Kailis italienischer Lebensgefährte. Wie die Zeitung "Le Soir" und das Magazin "Knack" am Sonntag berichteten, kamen beide ebenfalls in U-Haft ins Gefängnis. "Sie werden der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Korruption beschuldigt", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Zwei weitere Festgenommene ließ der Untersuchungsrichter frei.
Am Samstagabend wurde auch das Haus eines weiteren Europa-Abgeordneten durchsucht. Medienberichten zufolge handelt es sich um den belgischen Sozialdemokraten Marc Tarabella. Seine Partei teilte am Sonntagabend mit, Tarabella vor ein parteiinternes Gremium zitiert zu haben.
Katar in der Kritik
Der WM-Gastgeber Katar steht seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Zahlreiche Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM nach Katar vergeben hatte, sind inzwischen der Korruption überführt. Katar selbst hat den Vorwurf der Bestechung jedoch stets bestritten.
EU-Politiker stellen nun eine geplante Visa-Liberalisierung für Katar infrage. "In dieser Situation kann es natürlich keine Visa-Liberalisierung für Katar geben", schrieb der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt auf Twitter. "Die geplante Abstimmung darüber wird entweder in den Innenausschuss zurücküberwiesen, um die richtigen Konsequenzen zu ziehen oder wir stimmen als Parlament gegen die Visa-Liberalisierung."