Entlastungspaket der Bundesregierung Kritik aus der EU am "Doppel-Wumms"
Aus der EU kommt Kritik am Entlastungspaket der Bundesregierung: Wenn deutsche Unternehmen weniger für Energiekosten zahlen müssten, hätten sie Vorteile gegenüber Konkurrenten aus anderen Ländern. Finanzminister Lindner lässt das nicht gelten.
Es war der "Doppel-Wumms", der eigentlich gar nicht auf der Tagesordnung stand, dann aber doch zum beherrschenden Thema bei den Finanzministern der Eurozone wurde. Bundesfinanzminister Christian Lindner geriet unter Druck: Er musste die 200-Milliarden-Euro-Hilfen der Bundesregierung erklären.
Kritik kam aus Ländern wie Italien und Spanien, sie fragten nach der Solidarität. Schließlich hätten nicht alle Länder die finanziellen Mittel wie Deutschland, um solche "Wumms-Pakete" aufzulegen.
Was "Doppel-Wumms" auf Italienisch oder Spanisch heißt, ließen die jeweiligen Finanzminister offen. Aber sie machten klar: Wenn deutsche Unternehmen weniger für ihre Energiekosten aufbringen müssen, dann hätten sie Vorteile gegenüber Konkurrenten aus anderen Ländern.
Lindner: Maßnahmen sind angemessen
Lindner ließ das nicht gelten: "Die Maßnahmen sind gemessen an der Größe der deutschen Volkswirtschaft und gemessen an der Laufzeit bis 2024 in der Proportion angemessen und entsprechen auch dem, was andere in Europa machen."
Auch andere Ländern helfen Bürgern und Unternehmen
Tatsächlich greifen Länder wie Italien und Frankreich seit Monaten Bürgern sowie kleinen und mittleren Unternehmen mit massiven Eingriffen in den Energiemarkt unter die Arme. Den Gaspreisdeckel haben die Franzosen schon seit einem Jahr. Privathaushalte und Mittelstand zahlen weniger, den Rest der Rechnung zahlt der Staat an die Energieversorger. Nicht wenige Länder machen es ähnlich.
Warum die Kritik an Deutschland? Lindners Erklärungsversuch: Man habe vielleicht nicht richtig wahrgenommen, dass das Programm bis 2024 gestreckt wird, also nicht nur für ein Jahr gilt. Und von einem Konjunkturprogramm könne gar keine Rede sein. "Keine Nachfragestimulierung, keine Stärkung des wirtschaftlichen Wachstums durch staatliche Förderprogramme, sondern ausschließlich bezogen darauf, den Angriff von Putin mit der Waffe Gas zurückzuwehren."
Einen solchen Abwehrschirm lehnt der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno le Maire auch nicht ab. Er findet ihn sogar gut. So gut, dass er Vergleichbares gerne für die gesamte EU hätte, finanziert mit gemeinschaftlichen, europäischen Schulden. So wie beim Hilfspaket in der Coronakrise. Da habe Europa sich auch nicht begnügt mit einigen Maßnahmen hier und da, sondern eine europäische Wirtschaftsstrategie entwickelt - "mit der Zulassung gemeinsamer Schulden", sagte le Maire.
Deutschland soll sich solidarisch zeigen
Sein Landsmann, EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, hatte das am Wochenende auf Twitter schon entsprechend angetextet. Kein kritisches Wort über den "Doppel-Wumms", dafür der Vorschlag, man müsse auch anderen Ländern die Möglichkeit bieten, ihre Industrien und Unternehmen zu unterstützen. Heißt: Die größte Volkswirtschaft Europas soll sich bitte nicht nur um die Entlastung der eigenen Bürger und Unternehmen kümmern, sondern auch Solidarität zeigen mit den Ländern, die Hilfe von außen brauchen, um die Wirtschaft wettbewerbsfähig zu halten.
Forderungen an Deutschland kamen auch aus Italien - parteiübergreifend. Von Mario Draghi, der noch als Finanzminister amtiert, wie auch aus dem Umfeld seiner gerade gewählten Nachfolgerin Giorgia Meloni kam der Vorwurf, Deutschland zeige zu wenig Solidarität mit den Partnern. Beide fordern ein koordiniertes, schuldenfinanziertes Paket. Und das, obwohl Italien schon aus dem Corona-Hilfspaket die meisten Mittel erhält, mehr als 200 Milliarden Euro.
Auch von der spanischen Finanzministerin María Jesús Montero kam Kritik: Bei allem Verständnis für die deutsche Abhängigkeit vom russischen Gas dürfe das deutsche Gegensteuern nicht dazu führen, dass die Wettbewerbschancen im Binnenmarkt riskiert werden, sagte sie.
Lindner hält nicht viel von Gemeinschaftsschulden
Gemeinsame europäische Instrumente könnten auch jetzt wieder gefunden werden, sagte der für Wirtschaft zuständige EU-Kommissar Paolo Gentiloni, dabei müsse man gar nichts Neues erfinden. Der Italiener erinnerte an günstige EU-Kredite, mit denen die Kommission schon in der Corona-Krise das Kurzarbeitprogramm "Sure" finanziert hatte. Das könne jetzt in der Energiekrise eine Blaupause liefern.
Lindner hält von einer Neuauflage der Gemeinschaftsschulden allerdings nicht viel: "Andere Instrumente gemeinsam in Europa, als die, die wir gegenwärtig haben, sehen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht als erforderlich an."
Lindner ist in der Zwickmühle. Einerseits muss er die 200 Milliarden Euro für Deutschland verteidigen. Andererseits will er verhindern, dass die Partner mit den gleichen guten Argumenten einen ähnlichen Geldsegen für ganz Europa verlangen - dann allerdings finanziert aus der Gemeinschaftskasse, also mit einem großen deutschen Beitrag.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich vor einigen Wochen schon großzügiger gezeigt. In seiner Grundsatzrede an der Prager Karls-Universität lobte er ausdrücklich das Finanzierungsmodell nach dem europäischen Kurzarbeitergeld. Sehr zur Freude der Regierung in Paris. Sein eigener Finanzminister klang bisher weniger begeistert.