Steinmeier in Italien Gedenken an SS-Massaker in Marzabotto
Vor 80 Jahren ermordeten SS-Truppen Hunderte von Zivilisten im italienischen Marzabotto - eines der schlimmsten deutschen Kriegsverbrechen in Italien. Heute gedenkt Bundespräsident Steinmeier der Opfer.
Valter Cardi hat einen besonderen Bezug zu seinem Namen. Er heißt genauso wie sein Cousin, der im September 1944 von deutschen Soldaten umgebracht wurde. 14 Tage war sein Cousin damals alt, er starb in den Armen seiner Mutter, die erschossen wurde. "Sie schossen, legten Feuer und verbrannten die Opfer", sagt Cardi. Sein Vater und Onkel retten sich, indem sie sich unter den Körpern ihrer Familienangehörigen tot stellten.
Zehn Menschen aus Cardis Familie kamen ums Leben, insgesamt wurden bei dem Massaker in der Region um den Monte Sole in der Emilia-Romagna 770 Männer, Frauen und Kinder getötet. Während der deutschen Besatzungszeit in Italien von 1943 bis 1945 gab es Hunderte von Massenerschießungen, insgesamt verloren etwa 70.000 Italienerinnen und Italiener durch direkte oder indirekte Maßnahmen ihr Leben.
"Symbol für die Grausamkeiten der deutschen Besatzung"
Dazu zählen auch die Deportationen der jüdischen Bürger in die Konzentrationslager, sagt der Historiker Carlo Gentile, der intensiv zur deutsch-italienischen Kriegsvergangenheit geforscht hat. "Das Massaker selbst war typisch für die ideologisch durchdrungene 16. SS-Division, die verantwortlich war, erklärt Gentile. Aber in der Härte sei es selbst von der deutschen Besatzung als Exzess empfunden worden.
Am frühen Nachmittag des 29. September 1944 rief ein hoher Wehrmachtsoffizier bei der verantwortlichen Kommandostelle an und warnte davor, dass keine Exzesse gegen die Zivilbevölkerung stattfinden dürften. Leider waren die meisten Opfer zu diesem Zeitpunkt bereits ermordet.
Für die Überlebenden war das Erlebte ein Trauma, das sie nie mehr losgelassen hat. "Viele Jahre lang konnte niemand von den Überlebenden von Marzabotto darüber sprechen", sagt Valter Cardi. "Sie wollten alles nur noch vergessen und nicht über das Massaker reden, mein Vater eingeschlossen."
Doch nicht nur bei den Betroffenen hat das schwere Kriegsverbrechen tiefe Spuren hinterlassen, so Carlo Gentile von der Universität Köln. "Das Massaker von Monte Sole ist tief im Gedächtnis der Italiener verankert und steht bis heute als Symbol für die Grausamkeiten der deutschen Besatzungszeit." Die Erinnerung an die Gräueltaten sei nach wie vor sehr lebendig, im Laufe der Zeit seien viele Initiativen entstanden.
Die Erinnerung wachhalten
Dazu gehört etwa die Vereinigung der Opferfamilien. Oder die Friedensschule von Monte Sole, die direkt an den Tatorten von 1944 Friedensarbeit leistet und sich auf Gewaltprävention mit Schulklassen und Erwachsenen konzentriert. Damit wird die Erinnerung wachgehalten - es soll erreicht werden, dass so etwas nie mehr passiert.
Gemeinsam mit dem italienischen Präsidenten Sergio Mattarella gedenkt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 80. Jahrestag des Massakers. Es ist eine wichtige Geste für die gemeinsame Geschichte der beiden Länder. Für Valter Cardi, der Präsident der Vereinigung der Opfer ist, bedeutet Steinmeiers Teilnahme an der Gedenkveranstaltung sehr viel. Ein "Traum für die Familien der Opfer" sei damit wahr geworden.