Prozess um MH17-Abschuss "Die Gerechtigkeit wird siegen"
Fast 300 Menschen starben 2014 beim Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ostukraine. Mehr als acht Jahre danach wird in den Niederlanden ein Urteil gegen vier mutmaßlich Beteiligte erwartet. Die Ankläger fordern lebenslange Haft.
Der Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 der Fluggesellschaft Malaysia Air über der Ostukraine im Sommer 2014 war für viele Menschen ein zutiefst verstörendes und schreckliches Ereignis. Die Bilder der mit Leichen und Wrackteilen übersäten Sonnenblumenfelder, von pro-russischen Separatisten, die mit Kuscheltieren getöteter Kinder posierten, haben sich eingebrannt. 298 Tote, die meisten aus den Niederlanden, waren zu beklagen.
Nach Erkenntnissen internationaler Ermittler war das Flugzeug von einer Boden-Luft-Rakete des Typs Buk abgeschossen worden. Die Angeklagten, drei Russen und ein Ukrainer, sind nicht dabei, wenn das Urteil gesprochen wird, auf das man in der Ukraine seit über acht Jahren wartet. Russland hatte sich geweigert, die Angeklagten auszuliefern.
"Geschichte wird zu einem logischen Ende gebracht"
"Wir kommen heute nicht umhin zu erwähnen, dass wir gemeinsam mit den Niederlanden auf die Entscheidung des Gerichts in Den Haag im Fall des Abschusses von Flug MH17 warten", sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem niederländischen Amtskollegen Wopke Hoekstra. "Diese Geschichte wird zu einem logischen Ende gebracht, und die Gerechtigkeit wird trotz aller langfristigen Bemühungen Russlands, diesen Prozess zu zerstören, siegen."
So hatte Russland zum Beispiel Satellitenbilder gefälscht und der Ukraine die Schuld an dem Abschuss gegeben. Der Investigativplattform Bellingcat war es zu verdanken, dass durch Auswertung unzähliger Fotos auf Social-Media-Kanälen nachgewiesen werden konnte, dass das Buk-Raketensystem aus Russland in die Ostukraine und nach dem Abschuss mit einer fehlenden Rakete wieder zurückgebracht wurde.
Kaum Informationen von russischer Seite
Der leitende Russland-Ermittler bei Bellingcat, Christo Grozev, berichtet in einer Dokumentation auf YouTube, wie schwierig die Recherchen gewesen seien. Es sei nur selten gelungen, an russische Soldaten heranzukommen, um diese zu befragen. Zudem hätten diese in Interviews immer wieder falsche Fährten gelegt. Für die Angehörigen der Opfer seien die Fake-News nicht zu ertragen.
"Ich habe viel mit den Familien der Verstorbenen gesprochen und kommuniziere immer noch mit ihnen", berichtet Grozev. "Es ist so wichtig, dass nicht nur die Wahrheit ans Licht kam, sondern auch Desinformation und alle Lügen entlarvt wurden, die sie sich anhören und lesen mussten - weil sie jede Rede von Außenamtssprecherin Maria Sacharowa lesen, in der sie lügt, sie lesen jede Rede von Wladimir Putin. Sie lesen und sie weinen."
Urteil "auch für die Zukunft wichtiges Signal"
Der Kiewer Politologe Wolodymyr Fesenko betont, wie wichtig die Arbeit der Investigativ-Journalisten für den gesamten Prozess gewesen sei. Sie hätten letztlich die Details herausgearbeitet, auf deren Grundlage Anklage erhoben werden konnte. "Und dieses Urteil handelt von einem Terrorakt, den die Russen gemeinsam mit ihren Unterstützern im Donbass verübt haben. Und die Strafe für das begangene Verbrechen, obwohl es sich um eine Abwesenheitsstrafe handelt, ist nicht nur jetzt, sondern auch für die Zukunft ein sehr wichtiges Signal."
Denn gerade im Hinblick auf die jetzt verübten Kriegsverbrechen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine würde dadurch demonstriert, dass diese nicht ungestraft bleiben, sagt Fesenko. "Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft für die vier Angeklagten - in der Ukraine wird erwartet, dass das Gericht dieser Forderung folgt. Alles andere wäre eine große Enttäuschung."