Vor Westküste des Peloponnes Viele Tote bei Untergang von Flüchtlingsboot
Vor der griechischen Küste sind beim Untergang eines Flüchtlingsbootes mindestens 78 Menschen ums Leben gekommen. Die Küstenwache befürchtet, dass die Zahl der Opfer noch steigt. An Bord könnten sich mehrere Hundert Menschen befunden haben.
Bei einem schweren Bootsunglück südwestlich von Griechenland sind nach offiziellen Angaben bislang mindestens 78 Migranten ums Leben gekommen. Doch die Opferzahl könnte noch deutlich weiter steigen, befürchten die Behörden.
Aus Kreisen der Küstenwache und der zuständigen Ministerien hieß es, es seien wohl mehrere Hundert Menschen an Bord gewesen. Gerettet wurden bis zum Mittag 104 Personen. Die groß angelegte Suchaktion in internationalen Gewässern vor der Halbinsel Peloponnes dauerte an.
Krisenzentrum in Kalamata eingerichtet
"Wir hören Zahlen, bei denen wir Angst haben, sie überhaupt laut auszusprechen", sagte ein Reporter des Staatssenders ERT. Die Behörden beriefen sich auf Aussagen von Überlebenden, wonach gut 400 Menschen an Bord gewesen sein könnten.
Fraglich sei, ob die Opfer überhaupt geborgen werden könnten - das Boot soll in der Nacht zum Mittwoch rund 75 Kilometer südwestlich der Halbinsel Peloponnes schnell gesunken sein. Viele Menschen hätten sich eingepfercht unter Deck befunden und sich womöglich nicht ins Freie retten können, hieß es.
Die Hafenstadt Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes wurde zum Krisenzentrum: Ins dortige Krankenhaus und in andere Kliniken in der Region wurden Überlebende gebracht, die zum Teil wegen Unterkühlung behandelt werden mussten. Die griechische Staatspräsidentin Ekaterini Sakellaropoulou flog nach Kalamata, um sich ein Bild der Lage zu machen.
Schwangere und Kinder waren an Bord
Nach Angaben Überlebender war das Boot vom libyschen Tobruk aus in See gestochen und auf dem Weg nach Italien. Bei den Migranten soll es sich unter anderem um Menschen aus Afghanistan, Pakistan und Syrien handeln. Unter den Passagieren seien Schwangere und kleine Kinder gewesen, hieß es.
Die Unglücksstelle liegt nahe der tiefsten Stelle im Mittelmeer, dem sogenannten Calypsotief, das rund fünf Kilometer bis zum Meeresboden reicht. Dass das Wrack geborgen werden könnte, dürfte damit so gut wie ausgeschlossen sein. Den Behörden zufolge waren weiterhin Patrouillenboote der Küstenwache, die Luftwaffe, eine Fregatte der Marine sowie sechs Frachter und andere Schiffe im Einsatz, um nach Überlebenden zu suchen und Tote zu bergen.
Auch Segelboot in Seenot
Südlich von Kreta hatte es Mittwochmorgen einen weiteren Rettungseinsatz gegeben. Ein mit Migranten besetztes Segelboot geriet in Seenot. Auch dort seien Dutzende Menschen gerettet worden, wie die Behörden mitteilten.
Während der langen Fahrten aus der Türkei oder Nordafrika kommt es immer wieder zu Havarien, weil es sich oft um alte, seeuntüchtige Boote handelt. Auch gibt es an Bord meist keinen Bootsführer, der für die gefährliche Reise ausgebildet ist.
Im vergangenen Jahr sind nach UN-Angaben in der Region um die Unglücksstelle mindestens 326 Menschen ums Leben gekommen. Die Küstenwache geht aber von einer höheren Dunkelziffer aus.
Wieder mehr Tote auf Fluchtrouten
Insgesamt sind auf Fluchtwegen aus dem Nahen Osten und Nordafrika sowie innerhalb dieser Regionen 2022 den Vereinten Nationen zufolge so viele Menschen gestorben wie seit 2017 nicht mehr. Wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) in einem Bericht schrieb, kamen in der Region im Zeitraum von Januar bis Dezember 2022 knapp 3800 Migranten ums Leben. Die tatsächliche Zahl der Todesfälle liege wahrscheinlich weit darüber. Es mangele jedoch an offiziellen Daten, hieß es.
Noch mehr Tote gab es zuletzt nur 2017, als in der Region demnach 4255 Menschen starben. Die tödlichste Route für die Migranten sei der Weg über das Mittelmeer: Dort starben der IOM zufolge 2022 knapp 2400 Menschen auf der Flucht, ebenfalls so viele wie seit 2017 nicht mehr.