Mateusz Morawiecki (Archiv)

Trotz fehlender Mehrheit Morawiecki soll polnische Regierung bilden

Stand: 06.11.2023 23:01 Uhr

Polens Präsident Duda hat den bisherigen Regierungschef Morawiecki mit der Regierungsbildung beauftragt - obwohl ein Oppositionsbündnis die Mehrheit im Parlament stellt. Die Entscheidung zögert den Machtwechsel weiter hinaus.

Gut drei Wochen nach dem Sieg eines Dreier-Oppositionsbündnisses bei der Parlamentswahl in Polen hat Präsident Andrzej Duda den Machtwechsel weiter hinausgezögert. Das Staatsoberhaupt erteilte dem bisherigen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen PiS den Auftrag zur Regierungsbildung. Er habe sich nach der guten parlamentarischen Tradition gerichtet, wonach ein Vertreter der stärksten Fraktion den Regierungsbildungsauftrag bekomme, sagte Duda in Warschau.

Der Schritt des Präsidenten, der selbst aus dem Lager der PiS stammt, könnte Polen weitere Wochen der politischen Instabilität bringen. Die bisherige Regierungspartei PiS wurde zwar stärkste politische Kraft, verfehlte aber die absolute Mehrheit - und hat keinen Koalitionspartner. Deshalb ist fraglich, ob Morawiecki der Versuch einer Regierungsbildung gelingt.

Polens Präsident Duda beauftragt PiS-Partei mit Regierungsbildung

tagesschau, 07.11.2023 06:30 Uhr

Mögliche Koalition um Tusk arbeitet bereits an Vertrag

Bei der Parlamentswahl am 15. Oktober hatte die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) von Donald Tusk gemeinsam mit zwei weiteren Oppositionsparteien, dem konservativen Dritten Weg und dem Linksbündnis Lewica, eine deutliche Mehrheit der Sitze errungen. Die drei Parteien arbeiten bereits an einem Koalitionsvertrag.

Oppositionspolitiker in Warschau hatten nach der Wahl mehrfach die Befürchtung geäußert, der Präsident könne den Wechsel verzögern, um der PiS noch ein oder zwei weitere Monate an der Macht zu ermöglichen. Duda hatte bereits den Termin für die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments auf den 13. November gelegt - fast einen Monat nach der Wahl.

Tusk: "Unpatriotischer und bürgerfeindlicher" Schritt

Tusk kritisierte die Entscheidung Dudas als unverständlichen Fehler. Das bisherige Regierungslager wolle sich damit noch "ein paar Tage, zwei oder drei Wochen Zeit stehlen", zitierte das Nachrichtenportal TVN24.pl den Oppositionsführer. Am Ende werde das aber nur eine erniedrigende "Demütigung" für die Wahlverlierer werden und man werde sehen, wie "unpatriotisch und bürgerfeindlich das ist." Jeder Tag der Verzögerung des Regierungswechsels sei ein "verlorener Tag für alle Polinnen und Polen", so Tusk.

In Polen ist es politische Gepflogenheit, aber kein Muss, dass das Staatsoberhaupt den Auftrag zur Regierungsbildung an einen Vertreter derjenigen Partei vergibt, die die stärkste politische Kraft geworden ist. Bekommt dessen Vorschlag für ein Kabinett im Parlament keine Mehrheit, sind die übrigen Fraktionen am Zug. Sollte der PiS keine Regierungsbildung gelingen, dürfte Tusk vom Parlament zum Regierungschef bestimmt werden. Er hatte dieses Amt bereits von 2007 bis 2014 inne.

Martin Adam, ARD Warschau, tagesschau, 06.11.2023 22:08 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 06. November 2023 um 23:07 Uhr.