Fischsterben in Oder Algenblüte als Ursache?
Polnische Experten machen eine giftige Algenart als Auslöser für das Fischsterbens im Sommer verantwortlich. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace nennt hingegen Salzeinleitungen polnischer Bergbaubetriebe als Ursache.
Polnische Wissenschaftler haben in einem Bericht bestätigt, wonach eine Algenblüte Auslöser für das Fischsterben in der Oder im August war. "Der Grund für das Fischsterben war höchstwahrscheinlich die toxische Wirkung einer Algenblüte", sagte die Wasserbiologin Agnieszka Kolada vom Institut für Umweltschutz in Warschau bei der Vorstellung des vorläufigen Berichts.
Das polnische Umweltministerium hatte eine Gruppe von 49 Wissenschaftlern aus 14 Forschungsinstituten damit beauftragt, den Ursachen der Umweltkatastrophe auf den Grund zu gehen. Dabei waren 221 Wasserproben sowohl in Polen als auch in Deutschland genommen worden. In 78 Prozent dieser Proben habe sich Prymnesium parvum nachweisen lassen.
Trockenheit führte zu hoher Salzkonzentration
"Der Grund für das Fischsterben war höchstwahrscheinlich die toxische Wirkung einer Algenblüte", sagte die Wasserbiologin Agnieszka Kolada vom Institut für Umweltschutz in Warschau bei der Vorstellung des vorläufigen Berichts. Eine Reihe von Faktoren habe die Algenblüte begünstigt. So habe es im Hochsommer fast zwei Monate lang nicht geregnet, was zu einem niedrigen Wasserstand in der Oder geführt habe. Die Wassertemperatur stieg zeitweise auf bis zu 27 Grad. Der niedrige Wasserstand führte außerdem dazu, dass die Salzkonzentration zunahm. "So hat die Alge Bedingungen gefunden, die es ihr ermöglichten, sich zu entwickeln", sagte Kolada.
Experten fordern Kontrolle von Betrieben
Das Expertengremium empfahl, ein System der ständigen Kontrolle der Wasserqualität zu schaffen, das auch öffentlich zugänglich sein müsse. Außerdem müsse die Kontrolle von allen Betrieben fortgeführt werden, die Abwässer in die Oder einleiten.
Ein toter Fisch treibt im Sommer 2022 während des Fischsterbens in der Oder
Greenpeace sieht Bergbau als Schuldigen
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace macht in einem ebenfalls aktuell vorgestellten Bericht Salzeinleitungen der polnischen Bergbauindustrie für das massenhafte Fischsterben verantwortlich. Das habe die Analyse von 17 Wasser- und Bodenproben ergeben, die Ende August zwischen dem brandenburgischen Schwedt und der polnisch-tschechischen Grenze auf etwa 550 Kilometer Flusslänge genommen worden seien, teilte Greenpeace in Hamburg mit.
Salzwasser begünstigt Algenblüte
Dabei habe das deutsch-polnische Team durchgehend hohe Werte von Salzen und Schwermetallen gemessen. Die höchsten Salzwerte fanden sich laut Greenpeace an einem Rückhaltebecken des Bergbaukonzerns KGHM in Gmina Polkowice (Woiwodschaft Niederschlesien). Dort sei ein Salzgehalt gemessen worden, der 40-fach über dem für Süßwasser empfohlenen Werten liegt. Das salzhaltige Wasser begünstige die Vermehrung giftiger Algenarten wie Prymnesium parvum, die bei hohen Wassertemperaturen offenbar das Fischsterben ausgelöst habe.
Greenpeace sprach von einer vermeidbaren Umweltkatastrophe. Die Umweltschützer fordern von der polnischen und deutschen Regierung, den Fluss künftig zu renaturieren, rund um die Uhr zu überwachen und das Einleiten von schädlichen Substanzen zu verbieten.
Kein gemeinsamer Bericht des Expertenrats
Anfang August war in Brandenburg und Polen ein massives Fischsterben in dem Grenzfluss beobachtet worden. Tonnenweise tote Fische wurden geborgen. Bereits am Mittwoch war bekannt geworden, dass es einen ursprünglich für Ende September geplanten gemeinsamen Bericht eines polnisch-deutschen Expertenrats zu der Umweltkatastrophe wohl nicht geben wird.
Darauf hatten sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa ursprünglich Ende August geeinigt. Der "Spiegel" hatte berichtet, stattdessen solle nun jeweils ein polnischer und ein deutscher Bericht mit je eigener Sicht vorgelegt werden. Am Freitag will das deutsche Bundesumweltministerium die Abschlussergebnisse der deutschen Seite veröffentlichen.
WWF fordert Stopp des Oderausbaus
Die Umweltorganisation WWF Deutschland fordert unterdessen erneut einen sofortigen Stopp der Ausbauarbeiten an der Oder. Die Bundesregierung müsse die 2015 mit Polen beschlossenen Arbeiten neu bewerten, erklärte der WWF. Statt eines Ausbaus seien umfangreiche Maßnahmen zur Revitalisierung des Flusses geboten, beispielsweise die Wiederanbindung von Nebengewässern. Die Umweltorganisation verwies dabei auf die Einschätzung sowohl deutscher wie auch polnischer wissenschaftlicher Einrichtungen.
Bundesumweltministerin Lemke hatte sich bereits Ende August gegen einen weiteren Ausbau ausgesprochen. Die polnische Regierung will an ihren Ausbauplänen bislang jedoch festhalten.