Beschimpfung in Chats "Gsindl"-Chats holen ÖVP ein
Chat-Nachrichten aus der Zeit der Großen Koalition holen die ÖVP-Politikerin Mikl-Leitner ein. Darin beschimpfte sie ihren Koalitionspartner, die Sozialdemokraten. Es ist die neueste Entwicklung in einer Chat-Affäre.
"So sollte man weder miteinander noch übereinander reden," schrieb die niederösterreichische Landesregierungschefin Johanna Mikl-Leitner in einer kurzen schriftlichen Stellungnahme. Sie wolle sich damit ausdrücklich für ihre abfällige Bemerkung über die Sozialdemokraten entschuldigen.
Damit bezog sich die einflussreiche ÖVP-Politikerin auf eine SMS-Nachricht aus dem Jahr 2016 an ihren Kabinettschef Michael Kloibmüller, die seit dem Bekanntwerden Anfang dieser Woche in Österreich für Aufsehen sorgt: "Rote bleiben Gsindl!" Mikl-Leitner war damals ÖVP-Innenministerin in Wien und in einer Großen Koalition mit den Sozialdemokraten.
Diese Entschuldigung sei nicht einmal das Papier wert, erzürnte sich umgehend SPÖ-Geschäftsführer Christian Deutsch und Pamela Rendi-Wagner, die Vorsitzende der Sozialdemokraten, legte in einem offenen Brief nach: Die zahlreichen bekannt gewordenen Chats offenbarten ein "erschreckendes Bild des Denkens über Menschen", es bedürfe einer "neuen politischen Kultur." Gegenüber dem ORF sagte die SPÖ-Chefin:
Ich würde mir eine ehrliche und eine offene und eine umfassende Entschuldigung erwarten, und zwar nicht nur gegenüber der SPÖ, sondern wirklich gegenüber allen in Österreich für die Wortwahl, die über Menschen hier getätigt wurde. Weil Menschen sind Menschen und keiner ist Gsindl.
SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, hier bei einer Rede im Nationalrat.
Verfassungsschützer kopierte die Chats
Der Weg, wie die SMS-Nachrichten aus dem Innenleben des ÖVP-Innenministeriums öffentlich wurden, ist so banal wie folgenschwer: Die SMS-Nachrichten stammen vom Handy des ehemaligen Kabinettschef Michael Kloibmüller, dem bei einem Betriebsausflug 2017 sein Diensthandy ins Wasser fiel. Es konnte aber wieder herausgefischt werden. Kloibmüller gab das Telefon seinem Referenten zur Reparatur, die ein IT-Experte des Verfassungsschutzes übernahm. Dieser kopierte nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft die Handydaten, die ihren Weg über das Online-Magazin "Zackzack" des ehemaligen Grünen-Politikers Peter Pilz in die Medien fanden.
Wochenlang veröffentlichte Pilz auf seiner Plattform Stück für Stück die Chat-Nachrichten aus der Zeit, als die ÖVP-Innenministerin Mikl-Leitner und ihr Nachfolger Wolfgang Sobotka - heute Parlamentspräsident - mit strenger parteipolitischer Brille über die Auswahllisten von Personalposten wachten. Offenbar wollten sie sicherstellen, dass nur ÖVP-genehme Beamte zum Zuge kommen.
Diese Woche übergab Peter Pilz den Stick mit den Handy-Daten an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien. Die laut Pilz 4265 Seiten sollen Zehntausende Chats, E-Mails, Fotos und Dokumente enthalten. "Bei diesen Chats ist alles, was das schwarze System im Innenministerium aufklären hilft", sagte Pilz.
Ermittlungen gegen weiteren ÖVP-Politiker
Bereits Anfang dieser Woche sorgte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mit ihrem Antrag für landesweites Aufsehen, die Immunität des ÖVP-Fraktionschefs im Parlament, August Wöginger, aufzuheben. Der Vorwurf: Verdacht auf Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Wöginger soll 2017 den damaligen ÖVP-Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, gebeten haben, sich für einen ÖVP-Bürgermeister aus Wögingers Heimat als neuem Finanzamtsleiter in Braunau einzusetzen.
Schmid, dessen zahlreiche Chat-Mitteilungen nach deren teilweisen Veröffentlichung zum Rücktritt von Ex-Kanzler Sebastian Kurz führten, textete zurück: "Wir haben es geschafft. Der Bürgermeister schuldet Dir was!" - Woraufhin Wöginger zurückschrieb: Das sei "echt super", und er sei darüber "total happy."
Wöginger ließ Anfang dieser Woche eine knappe Erklärung dazu verbreiten, dass er sich "natürlich" gefreut habe, dass der Bürgermeister zum Zuge gekommen sei, den er für "einen qualifizierten und geeigneten Kandidaten für den Posten" angesehen habe.