FPÖ-Sieg in Österreich Was bedeutet der Rechtsruck für die EU?
Die rechtspopulistische FPÖ hat die Parlamentswahlen in Österreich gewonnen. Was bedeutet das für die EU? Werden Mehrheiten in Europa künftig auch mit Rechtsaußen gemacht?
Schon im Wahlkampf segelte die FPÖ hart am Wind gegen die EU. Ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl warb mit drastischen Forderungen für mehr Distanz zu den europäischen Institutionen und forderte eine Verkleinerung des Europaparlaments und der EU-Kommission. Von einem "Öxit" oder einer Volksabstimmung zum EU-Austritt war nicht mehr ausdrücklich die Rede, aber "es kann eine Situation eintreten, wo auch diese Frage neu zu bewerten ist", drohte der Kickl im Wahlkampf.
Ob die FPÖ überhaupt in eine Regierung in Wien eintreten kann, bleibt offen. In Brüssel war niemand über den Wahlausgang überrascht. Trotzdem ist er dort ein Thema. Ob denn mit der Wahl nicht auch die EU-Kommission abgestraft wurde, wurde EU-Sprecher Eric Mamer gefragt. Seine Antwort: "Die EU-Kommission erfüllt ihre Mission in einem schwierigen Umfeld. Wir haben ja gesehen, dass Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Kommissionschefin bestätigt wurde - von den Staats-und Regierungschefs als auch vom Europäischen Parlament. Das heißt, dass wir doch wohl viele Dinge richtig gemacht haben."
"Zuckerlkoalition" gegen FPÖ?
Damit deutet der EU-Sprecher an, was die EU-Kommission auch in Zukunft ungeachtet künftiger Wahlausgänge und Regierungsbildungen erwartet: politische Stabilität und Geschlossenheit. Tatsächlich ändert die Wahl in Österreich nichts an der grundlegenden Gewichtung der politischen Lager. Wenn sich der bisherige Kanzler Karl Nehammer von der christdemokratischen ÖVP mit seiner "Brandmauer" gegen die FPÖ durchsetzt - vielleicht in einem Bündnis mit Sozialdemokraten und den liberalen NEOS. Diese "Zuckerlkoalition" (nach den Parteifarben und ihrer knallbunten Sortierung) könnte zur bitteren Pille für die FPÖ werden und damit ihren europapolitischen Einfluss indirekt auch im Europaparlament eher noch kleiner werden lassen.
Anders sieht es aus, wenn die FPÖ doch an die Regierung kommt und EU-Entscheidungen auf höchster Ebene, die auf Einstimmigkeit beruhen, blockieren kann - nach dem Vorbild Viktor Orbáns aus Ungarn. Auch im Europaparlament könnte dann die Stimmung kippen: "Es liegt an den konstruktiven politischen Kräften, eine stabile Regierung zu bilden, auf die sich Europa verlassen kann. Wir erwarten Klarheit von der ÖVP", forderte Rasmus Andresen von den Grünen. Im Europaparlament gilt derzeit noch von der Leyens Devise vom Abend der Europawahlen: "Die Mitte hat gehalten".
Die "Mitte" könnte geschwächt werden
Doch für die "Mitte" deutet sich eine Schwächung an: In Österreich könnte passieren, was in den Niederlanden Realität ist: Dort wurde Geert Wilders zwar nicht Regierungschef, vertritt aber mit seiner rechtspopulistischen PVV die stärkste politische Kraft in einer Koalition. Und bestimmt damit auch die Politik in Brüssel mit, auch wenn er nicht mit am Tisch sitzt: "Wir sind die Stimme des europäischen Widerstands".
Auch in Finnland regieren die Rechtspopulisten mit. In Polen sind sie stärkste Kraft, aber machtlos ohne Koalitionspartner - auch das ein mögliches Szenario in Österreich, falls mit der FPÖ weiterhin niemand regieren will. Die Schwedendemokraten unterstützen die dortige konservativ-bürgerliche Koalition. Und in Frankreich fühlt sich Marine Le Pen schon fast ganz oben - ihre Partei bestimmt den Diskurs der heterogenen und einander oft feindlich gesinnten vier Rechtsfraktionen im Europaparlament.
Italiens Sonderrolle
Italien agiert politisch in einer Sonderrolle. Georgia Meloni gilt wegen ihres Anti-Moskau-Kurses als proeuropäisch - in Brüssel wurde sie unter anderem für EU-Entscheidungen zur Migration gebraucht. Bundeskanzler Olaf Scholz stimmte sich mit der italienischen Ministerpräsidentin ab. EU-Kommissionschefin von der Leyen holte einen Vertreter der Meloni-Partei "Brüder Italiens" in ihr Team. Zum ersten Mal wurde der Vertreter der Rechtspopulisten, Raffaele Fitto, Vizepräsident der EU-Kommission - bisher war er Europaminister in der Regierung Meloni. Nun soll er Kommissar unter anderem für die Unterstützung der ärmsten Regionen der EU werden.
Mit diesem Schachzug könnte eine politische Wende eingeleitet werden, warnen die Gegner dieser Personalentscheidung. Dadurch könnten auch wechselnde Mehrheiten mit den Stimmen aus der rechten EKR-Fraktion, zu der auch die "Brüder Italiens gehören", im Europaparlament bald schon zum Alltag gehören.
Österreich gehört allerdings nicht in diese Fraktion. Auch für den Fall, dass sie in Wien an die Regierung kommen sollte, bleibt ihr Einfluss im Europaparlament schwach. Trotzdem: In Brüssel schaut man genau hin, wie in Wie eine neue Regierung gebildet wird.