Schäden an Ostsee-Datenkabeln Schweden leitet Sabotage-Ermittlungen ein
Ein Unfall oder ein Angriff? Die schwedischen Behörden ermitteln wegen der Beschädigung von Datenkabeln bereits wegen Sabotage. Auch Pistorius und Baerbock vermuten Vorsatz - und schauen in Richtung Russland.
Die schwedischen Behörden haben wegen der Beschädigung von zwei Kommunikationskabeln in der Ostsee Ermittlungen aufgenommen. Derzeit werde der Tatbestand als Sabotage eingestuft, teilten die Polizei des skandinavischen NATO-Landes sowie der zuständige Staatsanwalt Henrik Söderman mit. An dieser Einstufung könne sich jedoch noch etwas ändern.
Söderman verwies zudem darauf, dass sich die Ermittlungen in einem frühen Stadium befänden. Weitere Informationen könne man derzeit nicht herausgeben.
Der schwedische Minister für Zivilschutz, Carl-Oskar Bohlin erklärte im Fernsehsender TV4 unterdessen, die schwedischen Streitkräfte und die Küstenwache hätten Schiffsbewegungen registriert, die in Zeit und Ort mit der Unterbrechung der Datenkabel übereinstimmten.
Auch Pistorius spricht von Absicht
Damit bestätigten die Schweden eine Vermutung, die Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bereits am Morgen geäußert hatte. Der SPD-Politiker geht davon aus, dass die Schäden an den Unterseekabeln zwischen Finnland und Deutschland sowie zwischen Schweden und Litauen absichtlich herbeigeführt worden sind. Man müsse davon ausgehen, dass es sich um Sabotage handle, sagte er am Rande eines Treffens mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel. Beweise dafür gebe es bislang aber nicht. Er betonte: "Niemand glaubt, dass diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind."
Pistorius ergänzte: "Von daher müssen wir konstatieren - ohne konkret zu wissen, von wem es kommt - dass es sich um eine hybride Aktion handelt." Er gehe zumindest nicht davon aus, dass die Kabel zufällig von ausgeworfenen Ankern beschädigt worden seien. Es sei vielmehr "ein klares Zeichen, dass hier etwas im Gange ist".
Durch die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone in der Ostsee verlaufen insgesamt 16 Unterwasserkabel, teilte das Bundesamt für Schifffahrt und Hydrographie auf Anfrage von tagesschau.de mit. Davon seien neun Hochspannungskabel, sechs dienten der Datenübertragung.
"Das können nicht nur Zufälle sein"
Auch Außenministerin Annalena Baerbock geht bei den defekten Kabeln von einem hybriden Angriff aus. "Das können alles nicht einfach nur Zufälle sein", sagte die Grünen-Politikerin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihren Kollegen aus Polen, Frankreich und Italien in Warschau. Die Ministerin sprach von Einschüchterungsversuchen und nannte dabei auch den Namen von Russlands Präsident Wladimir Putin.
In einer gemeinsam Erklärung werfen die Außenminister von Deutschland, Polen, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien Russland vor, "systematisch die europäische Sicherheitsarchitektur anzugreifen". "Moskau verstärkt seine hybriden Aktivitäten gegen NATO- und EU-Staaten in bisher nicht gekanntem Ausmaß und Vielfalt, was erhebliche Sicherheitsrisiken mit sich bringt", hieß es darin.
Faeser fordert besseren Schutz kritischer Infrastruktur
Bundesinnenministerin Nancy Faeser forderte angesichts der mutmaßlichen Sabotage einen besseren Schutz kritischer Infrastruktur. "Wir kennen die Hintergründe der Beschädigung des Glasfaserkabels zwischen Finnland und Deutschland noch nicht, aber der Fall fügt sich in das Bild der hohen aktuellen Bedrohungen für kritische Infrastrukturen ein", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die Ministerin dringt darauf, dass das geplante Gesetz zum Schutz kritischer Infrastrukturen ungeachtet des Bruchs der Ampel-Koalition noch in dieser Legislaturperiode beraten und beschlossen wird. "Wir sind in der Pflicht, hier europäisches Recht umzusetzen und die innere Sicherheit zu stärken", mahnte die SPD-Politikerin. Mit dem Gesetz könne sich stärker gegen Sabotageakte und hybride Bedrohungen geschützt werden - "vor allem durch das russische Regime", sagte Faeser.
Vorfall in schwedischen Gewässern
Das staatliche finnische Unternehmen Cinia hatte gestern Abend mitgeteilt, dass ein Defekt an dem Untersee-Datenkabel C-Lion1 zwischen Finnland und Deutschland festgestellt worden sei und die Kommunikationsverbindungen über das Kabel dadurch unterbrochen seien. Der Vorfall habe sich in schwedischen Gewässern außerhalb der verkehrsreichsten Schifffahrtsgebiete ereignet.
Ein Cinia-Sprecher sagte, das Unternehmen vermute, dass das Kabel durch einen Anker oder ein Grundschleppnetz durchtrennt wurde. Derartige Kabelbrüche kämen "in diesen Gewässern nicht ohne äußere Einwirkung vor". Cinia arbeite mit den Behörden an der Aufklärung. Die Bundesregierung hat ihre Hilfe bei den Ermittlungen angeboten.
Auch Kabel zwischen Schweden und Litauen beschädigt
Bereits am Sonntag war ein Untersee-Kommunikationskabel zwischen Litauen und Schweden beschädigt worden. Der BCS East-West-Interlink, der Litauen mit der schwedischen Insel Gotland verbindet, war nach Angaben des Betreibers komplett ausgefallen. Der Grund sei noch unklar, der Datenverkehr sei aber nicht dauerhaft beeinträchtigt gewesen.
Das NATO-Land Litauen kündigte als Reaktion die verschärfte Überwachung seiner Gewässer an. Weitere Maßnahmen würden mit den Verbündeten besprochen, teilte die litauische Marine mit. Nach Erkenntnissen der Marine liegt die Beschädigung in internationalen Gewässern.
Ostsee zunehmend im Fokus
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 und den durch Sabotage herbeigeführten Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee im darauffolgenden September ist die Lage von kritischer Infrastruktur gerade in der Ostsee in den Fokus der Öffentlichkeit und insbesondere der NATO gerückt.
Außerdem wurden im vergangenen Jahr mehrere Telekom-Kabel in der Ostsee beschädigt. Finnische Ermittler haben einen über den Meeresboden schleifenden Anker eines chinesischen Container-Frachters im Verdacht, hierfür verantwortlich zu sein. Es ist allerdings unklar, ob Vorsatz im Spiel war.
Reparatur kann bis zu zwei Wochen dauern
C-Lion1 verläuft auf einer Länge von 1.173 Kilometern von der finnischen Hauptstadt Helsinki bis nach Rostock in Mecklenburg-Vorpommern, teils über dieselbe Route wie die Nord-Stream-Pipelines. Das Kabel ist im Frühjahr 2016 in Betrieb genommen worden und das einzige Untersee-Datenkabel, das direkt von Finnland nach Mitteleuropa führt.
Die Reparatur eines Unterseekabels dauert nach Angaben des Unternehmens üblicherweise zwischen fünf und 15 Tagen. Cinia zufolge muss das Kabel dafür aus dem Meer auf ein Reparaturschiff gehoben werden, das aus dem französischen Calais ins betroffene Gebiet kommen soll.