Polen Kaczynskis wirre Reden
Brüssel sei eine Außenstelle Berlins, die EU im Krieg gegen Polen, die niedrige Geburtenrate eine Folge hohen Alkoholkonsums von Frauen - PiS-Chef Kaczynski irritiert mit wirren Reden. Für seine Partei wird das zum Problem.
Das Rednerpult, von dem aus Jaroslaw Kaczynski fast wöchentlich zu seinen Anhängern spricht, sieht immer gleich aus. Auch Kaczynski sieht immer gleich aus, in schwarzem Anzug mit schwarzer Krawatte. Die Auftritte könnten wirken wie eine einzige große Rede voller steiler Thesen, wären da nicht die wechselnden Ortsnamen am Pult. Vergangenes Wochenende stand da Jastrzebie Zdroj, eine kleiner Kurort im Süden des Landes.
Wie bei seinen Auftritten üblich wird Kaczynski schnell grundsätzlich: "Der Einsatz bei den kommenden Wahlen ist hoch. (...) Sollte die Opposition gewinnen, wird Polen innerhalb kürzester Zeit kein demokratischer Staat mehr sein, der an einer wenigstens einigermaßen gerechten Gesellschaft arbeitet. Das versteht sich von selbst."
Noch ein Jahr bis zur Parlamentswahl
Noch fast ein Jahr dauert es bis zur polnischen Parlamentswahl. Aber der Chef der Regierungspartei PiS ist bereits seit Wochen unterwegs, immer in kleinen geschlossenen Veranstaltungen, ausschließlich vor eingeladenen Parteianhängern.
Brüssel sei eine Außenstelle Berlins, erklärt er bei seinen Auftritten, die EU führe Krieg gegen Polen, die Opposition wünsche sich ein Polen unter Fremdherrschaft. Und wenn die PiS verliere, deutete der Vorsitzende an, könne es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Daneben beschäftigen ihn die Rechte von Transpersonen, die angeblich 12-Jährige dazu bringen würden, nach Gutdünken ihr Geschlecht zu wechseln.
Dann geht Kaczynski zu weit
Doch dann macht Kaczynski einen Fehler: Er wählt sich ein Ziel aus, dass nicht für die meisten Polen fern und abstrakt ist. Bei einer Veranstaltung in Elk erklärt er, an der niedrigen Geburtenrate in Polen seien die Frauen selbst Schuld: "Wenn die Frauen unter 25 weiterhin so viel trinken wie ihre Altersgenossen, dann wird es keine Kinder mehr geben. Denn man muss bedenken: Ein Mann kann über 20 Jahre lang regelmäßig Alkohol trinken, bis er Alkoholiker ist. Eine Frau nur zwei Jahre."
Das war dann doch zu viel. Plötzlich sind die sozialen Medien voll von Posts, in denen Frauen ironisch erklären, sie hätten ja schon Kinder. Dann dürften sie jetzt wohl endlich saufen.
Anna Lewandowska, Ehefrau von Fußballer Robert Lewandowski und sonst öffentlich eher mit Fitnessthemen beschäftigt, erklärt, als Frau und Mutter habe sie jetzt genug. Sie sei wütend. Andere schreiben, es sei erstaunlich, dass sich ein alleinstehender Mann ohne Kinder so äußere.
Linken-Politikerin fordert Entschuldigung
Katarzyna Kotula, eine Abgeordnete der Linken, fordert Kaczynski auf, sich öffentlich zu entschuldigen. Schließlich sei unter anderem das polnische De-facto-Abtreibungsverbot verantwortlich: "Frauen haben Angst, dass sie unheilbar geschädigte Föten zur Welt bringen müssen, dass sie unter der Geburt sterben und die Ärzte nicht helfen, weil sie Angst haben. (...) Wir haben außerdem die höchste Inflation seit 25 Jahren. (...) Vielleicht wissen sie das nicht, aber ein Kind muss man ernähren, anziehen und in die Kita schicken. All das kostet Geld."
In Umfragen geben fast drei Viertel der Befragten an, Kaczynski habe mit seiner Rede Frauen beleidigt. Selbst innerhalb der PiS heißt es zaghaft, vielleicht gebe es Gesprächsbedarf mit dem Vorsitzenden.
Journalistin: Kaczynski will eingeschworene Wähler mobilisieren
Den sieht Kaczynski selbst offenbar nicht. Denn im Kern gehe es darum, die eingeschworene PiS-Wählerschaft zu mobilisieren, nicht die anderen, erklärt die Journalistin Zusanna Dabrowska von der Zeitung "Rzeczpospolita": "Kaczynski setzt eine durchdachte Strategie der Spaltung um. Er will sich an die Spitze der Mehrheit setzen und die Minderheit brandmarken. (...) Es sind vor allem Senioren, in der Mehrheit Männer, die für PiS stimmen. Und daher ist es egal, ob es gegen Geflüchtete, LGBT und junge trinkende Frauen geht. Es muss einen Feind, einen Gegner geben, damit man sich um den Vorsitzenden scharen und sich sicher fühlen kann."
Für die PiS wird Kaczynski zum Problem
Die große mediale Aufmerksamkeit für Kaczynskis eigentlich nur auf die PiS-Anhängerschaft zugeschnittene Reden wird zum Problem für die Partei. Roman Imielski, Journalist der "Gazeta Wyborcza", sagt: "Wenn man mit einigen PiS-Abgeordneten spricht, sagen sie, diese Auftritte sind schlecht. Der Parteichef hängt an seiner Rhetorik, es muss immer einen bösen Donald Tusk geben, LGBT, die Gerichte, die schlimme EU und die deutsche Übermacht. Um die Wahlen zu gewinnen, reicht es aber nicht, nur die Kernwählerschaft zu mobilisieren."
Auch viele liberalere Wählerinnen und Wähler, die ihre Stimme unter Umständen der PiS geben würden, hören die Reden und werden möglicherweise abgeschreckt. Izabela Leszczyna von der Oppositionspartei PO formuliert es schärfer: "Dieser ältere Herr geht rum wie ein angetrunkener Onkel auf der Familienfeier, und erzählt diesen Unsinn. (...) Er erzählt diese Dinge, alle lächeln und wissen nicht, was sie mit ihm anfangen sollen. Jemand sollte ihn von der Bühne holen."
Vorerst hat Kaczynski aber nicht vor, die Bühne zu verlassen. Der nächste Auftritt ist schon geplant.