Von der Leyen in Warschau Hilfszahlungen nur gegen Reformen
Polen hofft darauf, dass die EU bald rund 35 Milliarden Euro an das Land auszahlt. Doch Kommissionschefin von der Leyen dämpfte bei ihrem Besuch in Warschau die Erwartungen. Erst müsse Polen Reformen liefern.
So sehr hat man sich in Warschau in letzter Zeit wohl selten auf Besuch aus Brüssel gefreut. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kam mit milliardenschweren Finanzzusagen in die polnische Hauptstadt. "Die Europäische Kommission hat grünes Licht für Polens Plan zur Aufbauhilfe gegeben - nach gründlicher Prüfung", sagte sie.
"Sind noch nicht am Ende des Weges"
Polen will die rund 35 Milliarden aus Brüssel vor allem für Klimaschutz und Digitalisierung ausgeben. Allerdings knüpft die Europäische Kommission die Hilfszahlungen an Bedingungen - und nimmt sich dabei Polens umstrittene Justizreform vor. Die Disziplinarkammer am Obersten Gericht, die Richter sogar entlassen kann, müsse abgeschafft werden, forderte von der Leyen.
Richter dürfen außerdem nicht dafür bestraft werden, wenn sie sich beispielsweise in einem Fall an den Europäischen Gerichtshof wenden. Bisher bereits erfolgte Suspendierungen von Richtern sollen nochmals überprüft werden. "Diese drei Bedingungen müssen erfüllt werden, bevor irgendwelche Zahlungen gemacht werden können", stellte die Kommissionschefin klar. Erste Zahlungen seien erst dann möglich, wenn das neue Gesetz in Kraft sei. "Wir sind aber noch nicht am Ende des Weges zu mehr Rechtsstaatlichkeit in Polen."
Entlassener Richter ist skeptisch
Die polnische Opposition hält die bisherigen Pläne der Regierung für unzureichend. Sie befürchtet, dass eine geplante neue Kammer in ähnlicher Weise agieren wird wie die bisherige Disziplinarkammer. Und auch Igor Tuleya hat wenig Hoffnung. Er ist einer der Richter, die von der Disziplinarkammer suspendiert worden sind.
"Meiner Meinung nach tut die EU-Kommission so, als ob sie in Polen die Rechtsstaatlichkeit verlangen würde und die PIS-Regierung tut so, als ob sie mit der EU-Kommission zusammenarbeiten würde. Ich denke, dass meine Situation sich nicht ändern wird", sagte er.
Ein anderer bislang suspendierter Richter wurde kürzlich zwar wieder zum Dienst zugelassen. Allerdings soll er am Familiengericht arbeiten und nicht am Zivilgericht, wo er zuvor tätig war. Aus Sicht der Opposition ein weiteres Zeichen dafür, dass es die polnische Regierung nicht wirklich ernst meint mit der Rechtsstaatlichkeit.
Zweifel an Polens Weg bleiben
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nutzte von der Leyens Besuch in Warschau dazu, der Opposition die Schuld für den Streit um die Rechtsstaatlichkeit in die Schuhe zu schieben. "Es ist der Opposition gelungen, einige Beamte in Brüssel davon zu überzeugen, dass es in Polen zu Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit kommt. Aus meiner Sicht ist die Situation natürlich völlig anders", sagte er.
Tatsächlich aber war es der Europäische Gerichtshof, der geurteilt hatte, dass die polnische Disziplinarkammer gegen EU-Recht verstoße. Zweifel an Polens Weg zu mehr Rechtsstaatlichkeit bleiben - in Brüssel und bei der Opposition in Warschau. Die ersten EU-Hilfsgelder werden, wenn überhaupt, wohl erst in einigen Monaten nach Polen fließen.