Russland Putin setzt Beteiligung an "New START"-Vertrag aus
Russland setzt nach Angaben von Präsident Putin die Teilnahme am "New-START"-Atomwaffenvertrag mit den USA aus. In seiner Rede an die Nation machte er zuvor westliche Eliten für die Eskalation in der Ukraine verantwortlich.
Russland setzt seine Teilnahme am "New START"-Vertrag aus, der die strategischen Atomwaffenarsenale Moskaus sowie der USA begrenzt. Das kündigte Präsident Wladimir Putin in seiner Rede zur Lage der Nation vor dem Parlament an. Er sehe sich gezwungen. "Wir ziehen uns nicht daraus zurück, aber wir setzen unsere Teilnahme aus." Wenn die USA Atomtests vornähmen, werde Russland das ebenfalls tun.
Obergrenzen für Atomwaffen sollen aber eingehalten werden
Am Abend teilte das Außenministerium in Moskau mit, man werde die festgelegten Obergrenzen für Atomwaffen dennoch weiterhin einhalten. In einer veröffentlichten Mitteilung des Außenministeriums in Moskau heißt es: "Um ein ausreichendes Maß an Vorhersehbarkeit und Stabilität im Atomraketen-Bereich zu wahren, beabsichtigt Russland, an einem verantwortungsvollen Vorgehen festzuhalten, und wird für die Dauer der Vertragslaufzeit die von ihm vorgesehenen quantitativen Beschränkungen für strategische Offensivwaffen strikt einhalten."
Die Aussetzung von "New START" könne auch wieder rückgängig gemacht werden, hieß es aus Moskau weiter. "Dazu muss Washington politischen Willen zeigen, sich gewissenhaft für eine allgemeine Deeskalation einzusetzen und Bedingungen für die Wiederaufnahme des vollen Funktionierens des Vertrags zu schaffen".
Der Vertrag dient dazu, der Vergrößerung von Atomwaffenarsenalen entgegenzuwirken. Er wurde 2010 in Prag unterzeichnet, trat 2011 in Kraft und wurde 2021 unmittelbar nach Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden um weitere fünf Jahre verlängert. Damit wird begrenzt, wie viele Atomsprengköpfe mit großer Reichweite die Länder stationiert haben können. Zudem wird die Verwendung von Raketen beschränkt, die Atomwaffen transportieren können.
"New Start" ist das Folgeabkommen von "Start", das Ende 2009 auslief. Im April 2010 unterzeichneten der damalige US-Präsident Barack Obama und der damalige russische Präsident Dmitri Medwedjew den zunächst für zehn Jahre gültigen Vertrag, der am 5. Februar 2011 in Kraft trat. US-Präsident Joe Biden und Kremlchef Wladimir Putin verlängerten ihn im Januar 2021 um fünf weitere Jahre.
"New Start" schreibt beiden Vertragspartnern vor, die Zahl ihrer nuklearen Sprengköpfe auf maximal 1550 und die Zahl nuklearer Trägersysteme auf 800 zu reduzieren - von letzteren dürfen maximal 700 im Einsatz sein. Kontrolliert werden soll die Einhaltung per Satelliten- und Fernüberwachung sowie durch 18 Vor-Ort-Inspektionen pro Jahr. Seit März 2020 gab es allerdings keine Inspektionen mehr - zunächst wegen der Coronavirus-Pandemie, später dann, weil Moskau Verhandlungen über eine Wiederaufnahme der Inspektionen verschob.
Russland und die USA besitzen etwa 90 Prozent der Atomsprengköpfe der Welt. Beide Seiten haben in der Vergangenheit stets betont, ein Krieg zwischen Atommächten müsse um jeden Preis vermieden werden.
Putin macht Westen für Krieg verantwortlich
Zuvor hatte Präsident Putin in seiner Rede den Westen für den Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht. Er erklärte, der Westen habe den Krieg angefangen - Russland habe lediglich seine "Kraft genutzt, um den Krieg zu stoppen". Der Westen mache aus der Ukraine ein "Anti-Russland", erklärte Putin. Und: Der Westen wolle die "historischen Gebiete, die man heute Ukraine nennt, von uns wegnehmen". Damit versuchte Putin erneut, seine Invasion in die Ukraine damit zu rechtfertigen, dass westliche Länder Russland gedroht hätten.
"Führen keinen Krieg gegen das ukrainische Volk"
Putin betonte in seiner Rede weiter, Russland führe keinen Krieg gegen das ukrainische Volk. Der Westen habe das Land besetzt, das "Neonazi-Regime" in Kiew installiert, das die Menschen in der Ukraine unterdrücke. Russland bekämpfe dieses Regime. Klar ist außerdem laut Putin: Je mehr Waffen geliefert würden, desto mehr sei Russland gezwungen, sich zu verteidigen. Er fügte hinzu, der Westen wolle Russland "ein für alle Mal erledigen".
Putin will russische Armee weiter aufrüsten
Russland habe alles getan, um den Konflikt friedlich zu lösen - der Westen sei daran nicht interessiert gewesen, sagte Putin weiter. Er beschuldigte den Westen, mit falschen Karten gespielt zu haben. Als vermeintliche Belege dafür führte der russische Präsident die Waffenlieferungen an die Ukraine und eine Ausweitung der NATO an. Russland sei dennoch bereit für einen konstruktiven Dialog mit dem Westen.
Als Ziel formulierte Putin, die russische Armee weiter aufzurüsten - man wolle dazu die neuesten Technologien einführen.
Zu den westlichen Sanktionen sagte Putin, diese träfen Russland nicht so stark. Im Gegenteil: Vielen Unternehmen in Russland gehe es gut, im dritten und vierten Quartal habe Russland einen Aufschwung erlebt. Auf Russlands Arbeitsmarkt gebe es einen Rückgang der Arbeitslosigkeit, erklärte Putin weiter. Man besetze Nischen neu, die nach dem Abzug westlicher Firmen frei geworden seien. Russland wolle seinen Handel in Richtung Ostasien ausweiten.
Zu Putins Rede äußerten sich unter anderem die USA und die NATO: US-Außenminister Blinken bezeichnete Aussetzung des "New START“-Vertrags als "enttäuschend und unverantwortlich". Auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg bedauerte den Entschluss. Er appellierte an Putin, diesen zu überdenken. Beide wiesen zugleich Putins Vorwürfe, den Westen für den Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht, deutlich zurück.
2022 hatte Putin keine Rede zur Lage der Nation abgehalten, obwohl die Verfassung eine jährliche Ansprache dieser Art vorschreibt. Die diesjährige Rede fand drei Tage vor dem ersten Jahrestag des russischen Kriegs in der Ukraine statt.