Einwanderungspolitik Erste Risse in Schwedens Koalition
Für ihren rechtsnationalen Bündnispartner hat die neue schwedische Regierung die Einwanderungspolitik drastisch verschärft. Die Liberalen sind wütend - und sprechen von "braunem Sumpf".
Schwedens neue Mitte-Rechts-Regierung hat einen harten Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik angekündigt. Mitte Oktober hatten sich die drei Koalitionsparteien auf Schloss Tidö mit ihrem vierten Partner im Bündnis, den rechtsnationalen Schwedendemokraten, auf ein gut 60 Seiten langes Abkommen verständigt.
Vor allem das Kapitel zur neuen Migrationspolitik stammt fast eins zu eins aus der Feder der Schwedendemokraten. Es stellt vor allem die Partei der Liberalen auf die Probe. Deren Parteichef Johan Pehrson hat sich nun intern deutlich von den Schwedendemokraten distanziert. Sogar der Begriff vom "braunen Sumpf" ist gefallen.
Radikal neue Flüchtlingspolitik
Das knapp 400 Jahre alte Schloss Tidö liegt gut anderthalb Autostunden westlich von Stockholm. Es ist ein Relikt aus Schwedens Großmachtzeiten. Seit gut vier Wochen steht der Name auch für den radikalsten Richtungswechsel in der schwedischen Flüchtlingspolitik seit dem Ende des zweiten Weltkriegs. Jimmie Åkesson, der Chef der Schwedendemokraten, hat es am 14. Oktober so formuliert:
Für uns Schwedendemokraten war absolut entscheidend, dass dieser Machtwechsel auch ein Paradigmenwechsel in der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik bedeutet. Und für mich gibt es keinen Zweifel, dass dieses Abkommen das auch bedeutet.
Migrationspolitik den Rechtsnationalen überlassen
In das Schloss Tidö am Mälarsee hatten sich die vier Parteien - die Moderaten mit den Christdemokraten, den Liberalen und den Schwedendemokraten - zurückgezogen, um den Verhandlungen über eine neue Regierung zum Durchbruch zu verhelfen.
Denn wie man erst heute weiß: Die Lage nach den Wahlen im September war ziemlich verfahren. Als größte Partei im Bündnis wollten die Schwedendemokraten unbedingt selbst mit am Kabinettstisch sitzen. Um das zu verhindern, haben die anderen drei Parteien Åkesson und seinen Leuten das Kapitel zur Migrationspolitik als Kompromiss praktisch ganz überlassen.
Nicht nur Begrenzung der Zuwanderung
Und das liest sich zusammengefasst so: Zuwanderung deutlich begrenzen, Leistungen für Flüchtlinge reduzieren und Rückwanderung vorantreiben. Aber das sei nicht alles, kommentiert der Chef der Migrationsbehörde im schwedischen Fernsehen, Mikael Ribbenvik:
Man deutet das Abkommen häufig falsch. Als gehe es nur um eine zahlenmäßige Begrenzung der Flüchtlinge. Also um ein Minimumniveau, wie viele Asylbewerber wir im Rahmen der EU aufnehmen sollen. Nein, es geht um sehr viele Punkte mehr und um die Standards in unserer Gesetzgebung. All das ändert sich jetzt.
Geplant ist, den Familiennachzug deutlich zu erschweren. Aufenthaltsgenehmigungen sollen grundsätzlich nur noch befristet gewährt werden. Selbst bei den Dolmetschern für Flüchtlinge will man sparen.
Wutrede vom Chef der Liberalen
Es sind gerade diese Punkte, die vor allem den Liberalen in der neuen Koalition zu schaffen machen. Hier geht es um das Selbstverständnis der Partei. Die Liberalen sind tief gespalten. Und am vergangenen Wochenende hat nun auch der Vorsitzende der Liberalen, Johan Pehrson, seinem Ärger Luft verschafft.
In einer Veranstaltung hinter verschlossenen Türen sprach er davon, dass "jede Menge Mist" in das Abkommen von Tidö gelangt sei. Und wenn er nicht gewesen wäre, hätten es "noch mehr kranke Vorschläge in das Papier geschafft". Bei den Schwedendemokraten habe sich nichts geändert. Dort gebe es noch immer denselben "braunen Sumpf". Eine Journalistin im Raum hat die Wutrede von Pehrson mitgeschnitten. Jetzt ist alles öffentlich.
Drohung mit dem Bündnisbruch
Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Oscar Sjöstedt, einflussreicher Abgeordneter der Schwedendemokraten, konterte im schwedischen Fernsehen mit einer Drohung:
Die Sätze sagen mehr über Pehrson aus als über uns. Ich würde niemals mit einer Partei zusammenarbeiten, die ich als "braunen Sumpf" bezeichnen würde. Noch können wir für solche Startschwierigkeiten eine gewisse Toleranz aufbringen, aber je länger wir in der Legislaturperiode vorankommen, desto niedriger wird unsere Toleranzschwelle dafür.
Noch hält das Bündnis, das auf dem Schloss von Tidö geschlossen wurde. Aber der Vorfall zeigt, welch großen politischen Spagat vor allem die Liberalen mit dieser Regierung versuchen.
Die Liberalen in der Krise
Das weiß auch Parteichef Pehrson, der sich ausgerechnet am heutigen Samstag auf einem Sonderparteitag erst noch offiziell zum Vorsitzenden wählen lassen muss. Bisher hatte er das Amt nur von seiner Vorgängerin übernommen.
Grundsätzlich fürchte er keine parteiinternen Diskussionen, sagte er der Zeitung "Expressen": "Was ich so großartig an den Liberalen finde, ist, dass da Platz für alle ist. Es gibt viel Diskussion. Sonst wäre es ja eine tote Partei."
Wie lebendig die schwedischen Liberalen aber noch bei ihren Wählern sind, ist offen. In der jüngsten Meinungsumfrage jedenfalls ist die Partei auf 3,6 Prozent abgerutscht. Das würde bei den nächsten Wahlen das politische Aus bedeuten.