Transitflüchtlinge, die nach Skandinavien wollen, werden 2015 im Seehafen Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) mit Bussen zu den Fähren nach Trelleborg (Schweden) gefahren.
analyse

Debatte über Zuwanderung Taugt Schwedens Migrationspolitik als Vorbild?

Stand: 28.08.2024 20:36 Uhr

CDU-Chef Friedrich Merz ist Fan von dänischer und schwedischer Migrationspolitik. Diese Länder könnten Probleme lösen, sagt er. Ist Schwedens strikte Einwanderungspolitik wirklich so effektiv?

Es passiert nicht selten, dass man in Deutschland für gute Beispiele Richtung Skandinavien zeigt. Die nordischen Länder wissen angeblich immer, wie es besser geht: bei Gleichberechtigung, Wehrdienst oder Digitalisierung.

Inzwischen ist auch die früher verpönte strikte Migrationspolitik Dänemarks oder Schwedens für so manchen zum Vorbild geworden. CDU-Chef Friedrich Merz sagte in diesen Tagen, bei der Migrationspolitik schaffe es Schweden, Probleme zu lösen.

Das hört die bürgerliche Minderheitsregierung, die mit den Rechtspopulisten eng zusammenarbeitet, natürlich gerne. Nach fast zwei Jahren an der Macht trage die politische Arbeit Früchte, betonte Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard von den konservativen Moderaten Anfang August. Und führte aus: "Die Zahl der Asylanträge liegt auf einem historisch niedrigen Niveau, die asylbedingten Aufenthaltsgenehmigungen nehmen ab. Und zum ersten Mal seit 50 Jahren wandern mehr Menschen aus, als zu uns kommen."

Auswanderungsland Schweden?

Doch die Behauptung, dass Schweden nun ein Auswanderungsland sei, wird von der schwedischen Statistikbehörde relativiert. Die Behörde teilte dem ARD-Studio Stockholm auf Nachfrage mit, dass diese Zahlen auch deshalb historisch hoch seien, weil das Melderegister bereinigt wurde. Personen, die möglicherweise schon länger ausgewandert sind, wurden erst jetzt offiziell gestrichen. In Wirklichkeit kämen wahrscheinlich weiterhin mehr Menschen nach Schweden als das Land verließen.

Die Pressestelle der Migrationsministerin hingegen verweist auf einen deutlichen Anstieg der Auswanderung bereits im vergangenen Jahr. Der erneute Anstieg Anfang 2024 lasse sich nicht allein durch die Bereinigung des Melderegisters erklären.

Schweden verzeichnete in den vergangenen Jahren einen deutlichen Rückgang bei den Asylanträgen. 2015 noch sah das ganz anders aus. Das Land nahm in Europa mit die meisten geflüchteten Menschen auf. Doch die damalige rot-grüne Regierung verschärfte schnell die Asylpolitik: keine pauschalen unbefristeten Aufenthaltsgenehmigungen mehr, erschwerter Familiennachzug - das Asylrecht wurde deutlich restriktiver. Gleichzeitig passierte in vielen anderen Ländern in Europa auch etwas. Verstärkte Grenzkontrollen in Österreich, Deutschland oder Dänemark machten den Weg für Geflüchtete nach Schweden komplizierter.

So wenig Menschen wie möglich aufnehmen

Auch Schwedens Ruf unter Migrantinnen und Migranten litt, das Image eines Landes mit einer großen Willkommenskultur war bald Geschichte. Zahlreiche Koranverbrennungen im Land, eine seit Jahren immer wieder aufblühende Desinformationskampagne gerichtet an Menschen muslimischen Glaubens: auch das sind Faktoren, die den Zufluchtsort Schweden unattraktiv erscheinen lassen.

Und die Signale der jetzigen Regierung sind deutlich: Wir wollen so wenig Menschen wie möglich aufnehmen. Die einst altruistisch geprägte Migrationspolitik Schwedens gehört schon lange der Vergangenheit an. Doch die Ursachen für den Rückgang der Einwanderung in Schweden sind vielfältig. Ein Einfaches "Im Norden haben sie es im Griff" greift zu kurz.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. November 2022 um 09:10 Uhr.