Wahl in der Slowakei Alle Macht für Fico?
Die Slowakei stimmt über einen neuen Präsidenten ab - aber auch über ihren Kurs zwischen Ost und West. Denn der russlandfreundliche Regierungschef Fico könnte künftig auch das höchste Amt im Staat kontrollieren.
Auch wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl standen wieder Tausende Slowaken und Slowakinnen auf den Straßen, nicht nur in der Hauptstadt Bratislava. "Buh", "Pfui", "Mafia!", war zu hören. Dieses Mal protestierten die Menschen gegen den Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
"Die Regierung von Robert Fico soll ruhig versuchen, die Kontrolle zu übernehmen", rief der liberale Oppositionschef Michal Simecka vom Podium. "Es wird ausgehen wie bei seiner Justizreform. Er wird nicht mit allem durchkommen, denn wir geben nicht auf. Aus uns wird kein zweites Ungarn - kein Orbanistan!"
Doch die Sorge vor dem ungarischen antidemokratischen Weg ist groß, seit der linksnationale Robert Fico wieder die Slowakei regiert - dieses Mal mit prorussischer Rhetorik und mit offenen Versuchen, die Pressefreiheit einzuschränken und den Rechtsstaat umzubauen.
Der Favorit: Ein Kandidat von Ficos Gnaden
Bisher hielt die progressive Präsidentin Zuzana Caputova dagegen. Das Verfassungsgericht stoppte Teile der Justizreform. Caputova tritt nicht wieder an. Ihr fehle die Kraft, sagt sie - nach Beschimpfungen und Verleumdungen, vor allem durch Fico und seine Parteifreunde, und nach Morddrohungen. Der Favorit für ihre Nachfolge ist der Kandidat von Ficos Gnaden, sein Koalitionspartner Peter Pellegrini.
"Ich werde niemals erlauben, dass die Slowakei in einen Krieg hineingezogen wird", sagt der auf Facebook. "Dass wir Soldaten in die Ukraine schicken. Dass wir unser Vetorecht in der EU verlieren. Die Wähler kennen mich seit Jahren: Die Slowakei wird für mich immer an erster Stelle stehen."
"Das Land befindet sich auf einem Kreuzweg"
Im Wahlkampf zeigte sich Pellegrini kaum. Er ist Parlamentspräsident und ohnehin allgegenwärtig. Früher war der 48-Jährige selbst in Ficos Partei, nun führt er eine eigene gemäßigtere linke Kraft. Nach der Parlamentswahl im vergangenen Herbst hätte Pellegrini auch mit proeuropäischen Parteien regieren können, doch er entschied sich schnell für Fico und ermöglichte dem EU-kritischen Langzeit-Premier das Comeback.
Je nach Ausgang der Wahl könnte der russlandfreundliche Regierungschef Fico durchregieren, befürchten seine Kritiker.
Als Präsident könnte er Fico bald das Durchregieren erleichtern, befürchtet Ivan Korcok. Der langjährige Diplomat und ehemalige Außenminister liegt in den Umfragen knapp hinter Pellegrini auf Platz zwei. "Ich sehe es so, dass mein Land sich auf einem Kreuzweg befindet", sagt er. "Es geht darum, ob ein politisches Lager, das jetzt das Land regiert, auch die höchste Funktion bekommt. Sollte das der Fall sein, dann geht das ganze Land in eine Richtung, die aus meiner Sicht nicht eine gute ist."
Stichwahl erwartet
Der 59 Jahre alte Korcok will den prowestlichen Kurs der scheidenden Präsidentin fortsetzen. Insgesamt kandidieren neun Männer, auf Platz drei folgt der rechtextreme Desinformator Stefan Harabin, früher Justizminister und Chef des Obersten Gerichts.
Erwartet wird, dass kein Kandidat in der ersten Runde eine absolute Mehrheit erhält und es in zwei Wochen zur Stichwahl zwischen Korcok und Pellegrini kommt. Dafür gilt der Fico-Verbündete als Favorit.
Die Wahllokale schließen um 22 Uhr. Mit Ergebnissen wird in der Nacht zu Sonntag gerechnet.