Kleinstadt Paiporta Stolz darauf, wie alle im Chaos zusammenhalten
Allein in Paiporta sind bei der Flutkatastrophe 62 Menschen gestorben, viele werden vermisst. Tausende Freiwillige befreien die spanische Kleinstadt von Schlammmassen. Fast alle mussten zu Fuß kommen.
Nach Paiporta kommt man nur zu Fuß. Die meisten Straßen sind noch dicht - und die Wege, die mittlerweile offen sind, werden von der Polizei kontrolliert. Sie lassen nur Einsatzfahrzeuge durch.
Also gehen die Menschen, die nach Paiporta wollen - und das sind viele: Rund 13.000 freiwillige Helferinnen und Helfer machen sich auf den Weg. Auf dem Seitenstreifen der Stadtautobahn raus in den Vorort, in einer langen Schlange, etwa fünf Kilometer bis zum Ortseingang, dann noch mal zwei bis zum Ortskern. In Gummistiefeln, mit Schaufel und Besen auf der Schulter und mit Plastiktüten und Wasserflaschen in der Hand.
Ein Einkaufstrolly voller "Basics"
So auch Carolina, die ihren Einkaufstrolly vollgepackt hat: mit Windeln, Babynahrung, Kichererbsen, Wasser und Medikamente - "die Basics eben", sagt sie.
Es ist warm in der prallen Sonne, die Autobahnbrücke führt über einen der Flüsse, die so reißend waren. Jetzt ist er nur ein kleines, braunes Rinnsaal in einem breiten, schlammigen Flussbett. Carolina hat noch eine Mission in Paiportas: Sie hat seit der Flut am Dienstag nichts mehr von ihren Cousins gehört. Sie weiß nichts von ihnen, wird aber versuchen, sie zu finden.
Denn die Zahl der Vermissten ist immer noch hoch, auch wenn sich keine Behörde traut, sie genau zu beziffern.
Gasse in Paiporta: Die gewaltige Wucht der Fluten lässt sich nur noch erahnen.
"Wir machen uns große Sorgen"
So geht es auch Alejandro. Er ist schon auf dem Rückweg aus Paiporta, seine Klamotten sind komplett mit Schlamm bedeckt. Er und seine Freunde haben geholfen, die Einfahrten freizumachen, den braunen Schlamm von der Straße zu bekommen.
Und: Auch er sucht - Laura, eine Freundin. "Ehrlich gesagt, wir machen wir uns große Sorgen", erzählt Alejandro. "Wir haben schon mit der Polizei gesprochen, um sie zu finden und versuchen alles - aber im Moment bleibt nur das Warten."
Überall liegen ausrangierte verschlammte Möbel auf der Straße.
Wirklich noch Hoffnung zu haben, fällt schwer, wenn man in Paiporta ankommt. Autos liegen wie Spielzeug verteilt, mal auf dem Rücken, mal senkrecht an einer Wand, mal aufeinander gestapelt. Brücken sind abgebrochen, die Gleise unpassierbar, auch hier liegt ein Auto drauf. Und überall: verschlammte Möbel.
Stolz darauf, wie alle zusammenhalten
Vor dem zweistöckigen Haus an der Ecke sind es Elenas Möbel. Sie wohnt seit 25 Jahren hier in Paiporta, so etwas hat die 52-Jährige noch nie erlebt. Es sei wie ein Tsunami gewesen. Und als die offizielle Warnung kam, haben ihnen schon das Wasser bis zum Hals gestanden. Und zwar wörtlich: Im Erdgeschoss sei das Wasser bis unter die Decke gestiegen.
Tausende Freiwillige helfen in dem verwüsteten Ort.
"Es war sehr hart für, Leute sterben zu sehen, wie sie alles verlieren", sagt sie. Doch Elena lebt noch und ihr Hund auch, da sind die Möbel nebensächlich. Jetzt schippen drei Freiwillige mit ihr den Schlamm aus dem Flur, dafür ist sie sehr dankbar: Sie sei stolz darauf, wie alle zusammenhalten.
In keiner Straße wird allein gearbeitet, niemand steht einsam vor seinem Haus. Überall schlammbedeckte Freiwillige, die anpacken.
Das Militär ist auch da
Es gibt eine zentrale Sammelstelle für Lebensmittel - auch von Helfern aus der Stadt betrieben. Mittlerweile haben es auch die ersten Abschleppwagen in den Ort geschafft und ziehen Autos aus dem Schlamm. Das Militär ist auch da, neben der Polizei und der Feuerwehr.
Es ist laut und chaotisch in den Straßen von Paiporta. Man muss zur Seite springen, wenn ein Pickup durch die Straße will, aufpassen, nicht über die vielen Besen und Schaufeln zu stolpern, die den Schlamm in die Gullis schieben. Es riecht nach Benzin und irgendwie nach Fluss, nach dem braunen Schlamm.
An der Ecke im Zentrum war mal eine Bar - jetzt tragen Männer die zerstörten Stühle nach draußen, ducken sich vorbei an den zerbrochenen Glasscheiben. Die Bar gehört Alex, er hat sie gerade noch rechtzeitig geschlossen, bevor das Wasser kam, und konnte sein Leben retten. Trotzdem ist er verzweifelt: "Ich muss jetzt von null anfangen - eigentlich sogar noch schlimmer: drei, vier Schritte zurück.
In Paiporta riecht es geradezu nach dem allgegenwärtigen Schlamm.
Organisation im Durcheinander
Perpe ist Feuerwehrmann und seit Tag eins vor Ort. Er und seine Kollegen hätten schon viele Tote geborgen, erzählt er. Das Ganze sei eine Last, mit der er fertig werden muss: "Es ist nicht einfach." Jetzt sei es aber schon besser - es gibt mehr Organisation im Durcheinander und es freut ihn, dass so viele mithelfen.
Nerea ist schon seit sieben Uhr morgens da, räumt die Straßen frei und kümmert sich um die Menschen, die immer noch eingesperrt sind in ihren Häusern, weil der Schutt die Ausgänge versperrt. Seit drei Tagen seien sie ohne Wasser und Essen, weil sie einfach nicht herauskämen.
Morgen will sie wieder um sieben hier sein, von Valencia über die Autobahn nach Paiporta - zu Fuß.