Zwangssterilisierung in Tschechien Warten auf Entschädigung - und Anerkennung
Jahrzehntelang wurden tschechische Roma-Frauen durch staatliche Vertreter zur Sterilisation gezwungen. Das Leid der Opfer ist groß. Noch immer warten sie auf Entschädigungen - und auf eine Anerkennung.
Sie haben so viele Jahre lang darauf gewartet, dass sie für ihre Zwangssterilisierung endlich entschädigt werden. Das angetane Unrecht soll wenigstens symbolisch anerkannt werden. Doch Pavlina Covejova wartet seit Monaten auf eine Antwort. Und der Antrag von Olga Kovaczikova wurde abgelehnt.
Im tschechischen Fernsehen erzählten sie ihre Geschichte. Damals sei das Sozialamt mit einem schwarzen Wolga vorgefahren - auch eine Ärztin sei in ihre Wohnungen gekommen. Die Mitarbeiter hätten erklärt, dass die Frauen jung seien und bereits genug Kinder bekommen hätten.
"Ich war damals 23, als sie mir das angetan haben", sagt Kovaczikova. Das Sozialamt hätte außerdem Geld angeboten, erinnert sich Covejova. "Fast 600 Euro. Das war eine Menge Geld damals." Das Schlimmste sei gewesen, dass die Mitarbeiter angedroht hätten, die Kinder wegzunehmen, wenn die Frauen nicht zur Operationen erscheinen würden.
Kaiserschnitte als Vorwand
Für Zwangssterilisationen in der Tschechoslowakei seit den 1960er-Jahren gibt es Belege. Seit den 1970er-Jahren waren sie gängige Praxis - offiziell geregelt durch eine ärztliche Richtlinie. Der sozialistische Staat wollte insbesondere Roma-Frauen davon abbringen, mehrere Kinder zu bekommen. Auch andere Frauen waren betroffen, häufig aus armen Familien.
Und auch nach der politischen Wende von 1989 wurden Frauen unfreiwillig ihrer Fruchtbarkeit beraubt. Einen Fall dokumentierte der tschechische Rundfunk noch im Jahr 2010. Die Sterilisationen seien oft während der Geburt durch angeblich nötige Kaiserschnitte durchgeführt worden.
"Es war das Jahr 1990, ich war 21 Jahre alt", erzählt Elena Gorolova. Die Ärzte hätten ihr danach gesagt, dass sie schon zwei Kaiserschnitte gehabt hätte und sie dann eine Sterilisation durchführen würden. Sie sei dadurch dem Tod entkommen, hieß es als weitere Erklärung. "Ich habe es nicht ganz verstanden", sagt sie.
Wütend, traurig, traumatisiert
Gorolova hat sich ihr Leben lang nach einer Tochter gesehnt. Nach dem Eingriff war sie wütend, traurig, traumatisiert. Aber sie hat gekämpft und einen Verein betroffener Frauen gegründet, der immer wieder an die Öffentlichkeit ging. Doch lange sei wenig passiert, obwohl das Thema bekannt war, beklagt die Bürgerrechtlerin und frühere Dissidentin Anna Sabatova.
Bereits 1977 kritisierte die Bürgerrechtsbewegung um Vaclav Havel die Zwangssterilisierungen. In der Petition "Charta 77" seien die Maßnahmen des Staates dokumentiert worden, erzählt Sabatova. Es sei attestiert worden, dass in einigen Bezirken die Sterilisation von Roma-Frauen als geplante Verwaltungspraxis durchgeführt wurde.
"Der Erfolg des Personals wird auf internen Sitzungen anhand der Zahl der Frauen bewertet, die sie zur Einwilligung überreden konnten", hieß es in der "Charta 77" weiter. Nach der Wende wandte sich die Bürgerrechtsgruppe an den Generalstaatsanwalt. Der stellte Verwaltungsfehler fest - nicht aber Menschenrechtsverletzungen. Zahlungen für Sterilisierungen wurden abgelehnt.
Schwere Vorwürfe gegen Behörden
Sabatova, damals stellvertretende Ombudsfrau für Bürgerrechte in Tschechien, ging damals davon aus, dass die Praxis damit endlich beendet sei. "Im Jahr 2004 haben uns zehn Frauen kontaktiert und gesagt, dass sie Opfer von illegalen Sterilisierungen sind", sagt die Bürgerrechtlerin. "Und als wir damit an die Öffentlichkeit gegangen sind, haben sich 70 weitere Frauen gemeldet."
Es folgte eine offizielle Untersuchung. Ärztliche Richtlinien wurden geändert. Doch es lief weiterhin schleppend: 2009 entschuldigte sich die tschechische Regierung. Erst seit 2022 können Betroffene eine lange geforderte Entschädigung beantragen: Es sind umgerechnet knapp 12.000 Euro.
Es habe sich aber gezeigt, dass das Gesundheitsministerium nicht genügend Anwälte eingestellt habe, sagt Sabatova. "Außerdem sind die Fristen kurz, die Bearbeitungszeiten lang und das Ministerium trifft entsetzliche unfaire Entscheidungen", beklagt sie. Behörden hätten medizinische Unterlagen nachweislich illegal geschreddert.
Scheitert die Fristverlängerung?
Laut dem Gesundheitsministerium haben mehr als 2.000 Frauen Anträge auf Entschädigung eingereicht. Bisher erhielten nur knapp 700 eine positive Antwort. Auch der tschechische Regierungschef Petr Fiala hat die Bewilligungspraxis kritisiert. Bis zum 2. Januar können Anträge gestellt werden. Aktivistinnen und Unterstützer fordern in einer Petition, die Frist zu verlängern. Bislang ohne Erfolg.