Neue ukrainische Militärspitze Ein Wechsel mit Risiko
In Zeiten ausbleibender militärischer Hilfe und Munitionsmangels an der Front wechselt Präsident Selenskyj die Militärspitze aus. Eine Entscheidung, die in der Ukraine nicht überall positiv gesehen wird.
Eine neue Militärspitze - und das mitten im Krieg. Am Wochenende ernannte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auch die neuen Stellvertreter seines Oberbefehlshabers. Aber viele Menschen kritisieren den Wechsel in der Militärführung.
Maria Harpun aus Kiew etwa ist enttäuscht. Weder unterstützt noch versteht sie die Entscheidung des Präsidenten: "Saluschnyj vertrauen wir und ich kann nicht sagen, dass diese Entscheidung etwas verbessert oder notwendig war, um eine Stagnation zu verhindern. Wenn wir wegen dieser Entscheidung unser Land verlieren, dann werden wir das nie verzeihen."
Ein gebürtiger Russe führt nun die ukrainische Armee
Trotz des Unmuts in der Bevölkerung steht nun der 58 Jahre alte Oleksandr Syrskyj an der Spitze des ukrainischen Militärs. Ein Blick in die Sozialen Netzwerke zeigt: Vielen reicht allein die Tatsache, dass der Neue in Moskau militärisch ausgebildet wurde, um Syrskyj zu misstrauen.
Es gehört zur Ironie dieses Krieges, dass ausgerechnet ein bei Moskau geborener Mann die Ukraine durch das dritte Kriegsjahr führen soll. Keine leichte Aufgabe, sagt der ukrainische General a.D. Ihor Romanenko: "Die Russen sind auf dem Vormarsch und die Einführung eines neuen Teams braucht Zeit. Selbst wenn man bedenkt, dass Syrskyj Erfahrung hat." Aber nicht nur Syrskyj habe einen neuen Posten, auch der Generalstabschef sei ausgetauscht worden: "Das ganze Team wird verändert. Das wird einige Zeit dauern, bis sie ihre neuen Aufgaben kennen. Das ist ein Risiko."
Syrskyjs Ruf ist umstritten. Er hat eine lange Karriere im Militär vorzuweisen, ist kriegserfahren und verantwortlich für entscheidende Erfolge bei Kiew und Charkiw. Einige aber bezeichnen ihn auch abfällig als "den Schlächter". Es war Syrskyj, der an der Verteidigung der Stadt Bachmut festgehalten hat. Tausende russische Wagner-Söldner wurden bei den Kämpfen getötet - aber auch viele ukrainische Soldaten verloren ihr Leben bei der erfolglosen Verteidigung der Stadt.
Eine Taktik, an der Syrskyj bis heute festhält. So sagte er im Januar, die Ziele der ukrainischen Armee blieben unverändert: "Unsere Stellungen halten, unser Territorium halten, den Feind durch maximale Verluste erschöpfen, aktive Verteidigung durch Ergreifen der Initiative betreiben. Das tun wir jeden Tag."
Militärspitze steht vor Schwierigkeiten
Oleksandr Syrskyj tritt ein schweres Erbe an. Seine Entscheidungen und Erfolge werden mit denen des beliebten Saluschnyjs verglichen. Und das in einer Zeit, in der militärische Hilfe aus den USA ausbleibt und an der Front ein massiver Munitionsmangel herrscht.
Ihor Romanenko erwartet trotzdem einige Offensivoperationen: "Wir haben Mittel, um eine strategische Verteidigung zu führen, auf einer Frontlänge von 1.500 Kilometern. Aber Syrskyj wird auf diesem Gebiet von seinen Untergebenen verlangen, Gegenangriffe und sogar Offensiven durchzuführen, dort wo es Schwachstellen beim Feind, sowie ausreichend Ressourcen und Reserven gibt."
Er müsse nun beweisen, dass er in der Lage sei, auch dem Präsidenten unangenehme Fragen zu stellen, meint Romanenko. Das Verhältnis zwischen Selenskyj und dem neuen Oberbefehlshaber gilt als eng. Und Selenskyj braucht nach der gescheiterten Sommeroffensive der Ukrainer unbedingt militärische Erfolge. Syrskyj wird in den nächsten Monaten den Mangel an Soldaten und Material verwalten - und das Vertrauen der ukrainischen Bevölkerung gewinnen müssen.