Asowstal in Mariupol Verhandlungen über Evakuierung von Soldaten
Nach Angaben der ukrainischen Vizeregierungschefin verhandelt die Ukraine mit Russland über die Evakuierung von 38 verletzten Soldaten aus dem Asowstal-Werk. Präsident Selenskyj hält Russlands Invasion für eine "strategische Niederlage".
Die Ukraine führt nach eigenen Angaben Verhandlungen mit Russland über die Evakuierung schwer verletzter Soldaten aus dem belagerten Stahlwerk des Konzerns Asowstal in Mariupol. Die Gespräche seien "sehr schwierig", erklärte die stellvertretende Regierungschefin Iryna Wereschtschuk. Es gehe zunächst nur um 38 Soldaten, die gegen gefangene Russen ausgetauscht werden könnten.
Verschiedene Medien hatten zuvor von möglicherweise 500 bis 600 Ukrainern gesprochen, die im Rahmen dieser Verhandlungen aus dem Stahlwerk gebracht werden könnten. Diese Größenordnung wies Wereschtschuk zurück. "Wir arbeiten Schritt für Schritt." Man arbeite eng mit dem Roten Kreuz sowie den Vereinten Nationen zusammen. Auch die Türkei sei inzwischen als Vermittler dabei. "Wir wollen, dass ein Dokument unterzeichnet wird, in dem festgelegt wird, wie eine Evakuierung von Asowstal erfolgen soll."
Türkei will Soldaten offenbar aufnehmen
Am Dienstag hatte sie von "mehr als Tausend" ukrainischen Kämpfern gesprochen, die sich nach wie vor in dem Industriekomplex in Mariupol verschanzt halten. Darunter seien "Hunderte Verletzte". Sie sind die letzten ukrainischen Verteidiger in der strategisch wichtigen Hafenstadt Mariupol, die mittlerweile abgesehen von dem Industriegebiet vollständig unter russischer Kontrolle steht. Hunderte Zivilisten wurden in den vergangenen Wochen aus den Asowstal-Anlagen in Sicherheit gebracht.
Die Türkei schlug dem russischen Militär nach Informationen der ukrainischen Zeitung "Ukrajinska Prawda" vor, alle ukrainischen Soldaten aus dem Asowstal-Gelände auf dem Seeweg zu evakuieren. Sie sollten dann bis Kriegsende in der Türkei bleiben.
"Strategische Niederlage Russlands offensichtlich"
Nach Ansicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist knapp zweieinhalb Monate nach der Invasion russischer Truppen eine strategische Niederlage Russlands "offensichtlich". Die Niederlage Moskaus sei "für jeden auf der Welt offensichtlich und auch für diejenigen, die immer noch mit ihnen (den Russen) kommunizieren", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. Nur habe Russland nicht den Mut, die Niederlage einzugestehen. "Sie sind Feiglinge und versuchen, diese Wahrheit hinter neuen Raketen-, Luft- und Artillerieangriffen zu verbergen."
Der ukrainische Staatschef kritisierte die jüngsten russischen Angriffe, bei denen in Tschernihiw im Norden des Landes eine Schule getroffen worden war. "Natürlich ist der russische Staat in einem Zustand, in dem ihn jede Bildung nur behindert", sagte Selenskyj. Russische Kommandeure, die derartige Befehle zum Beschuss von Bildungseinrichtungen erteilten, seien "einfach krank - unheilbar".
Daneben seien in der Ukraine seit Kriegsbeginn bereits 570 Gesundheitseinrichtungen durch russische Angriffe zerstört worden, darunter 101 Krankenhäuser. "Was bringt das?", fragte Selenskyj. "Das ist Unsinn, das ist Barbarei." Dies sei für ihn ein Zeichen der Selbstzerstörung Russlands, das von der Welt einst als Kulturnation betrachtet worden sei.
Russland mit weiteren Raketenangriffen
Die russischen Angriffe wurden auch in der Nacht fortgesetzt. Die Industriestadt Krementschuk in der Zentralukraine ist nach ukrainischen Angaben von einer Serie russischer Raketen getroffen worden. Beim bisher größten Angriff auf die Stadt seit Kriegsbeginn vor zweieinhalb Monaten sei auch eine Raffinerie beschädigt worden, sagte der regionale Militärchef Dmitrij Lunin nach Angaben der Agentur Unian.
Doch auch die Ukraine konnte offenbar militärische Erfolge vermelden. Satellitenbilder des US-Unternehmens Maxar zeigten ein vermutlich durch einen Raketenangriff getroffenes russisches Versorgungsschiff der Serna-Klasse im Schwarzen Meer. Nach Angaben des Unternehmens befindet sich das beschädigte Landungsschiff unweit der Schlangeninsel nahe der ukrainischen Seegrenze zu Rumänien.
Ein Sprecher der ukrainischen Streitkräfte für den Militärbezirk Odessa hatte mitgeteilt, dass das russische Schiff "Wsewolod Bobrow" von ukrainischen Streitkräften getroffen und in Brand gesetzt worden sei. Die Angaben konnten zunächst nicht von unabhängiger Seite überprüft werden.
Dieses Satellitenbild von Maxar-Technologies soll den Angriff auf das russische Versorgungsschiff zeigen - überprüfbar ist dies vorerst nicht.