EU-Agrarminister zu Ukraine-Getreide "Der Einzige, der sich freut, ist Putin"
Für Getreide aus der Ukraine gilt in fünf östlichen EU-Staaten derzeit ein Importverbot. Unter anderem Polen pocht darauf, dass das auch so bleibt - zum Ärger von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir.
Der Ärger ist groß. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist vor allem auf die polnische Regierung sauer. Sie sei nicht bereit, ihre harte Haltung zu ändern. Eine große Rolle spiele wohl der Wahlkampf in Polen.
Der Preis dafür sei hoch - die Solidarität mit der Ukraine werde torpediert: "Der Einzige, der sich freut, ist Wladimir Putin. Wir sollten aber nichts tun, was Wladimir Putin glücklich macht." Deutliche Worte des grünen Agrarpolitikers nicht nur an Polen. Auch an Bulgarien, Ungarn, Rumänien und die Slowakei.
Streit um Agrarprodukte aus der Ukraine
Noch profitieren diese EU-Länder von einer Ausnahme, vor der viele Agrarpolitiker in Deutschland und Frankreich von Anfang an gewarnt hatten: Sie müssen Agrarprodukte aus der Ukraine durchlassen.
Aber kein Agrarbetrieb in diesen Ländern musste sich vor einem möglichen Preisverfall fürchten, weil nichts davon in diesen Ländern verkauft werden durfte. Mais, Raps und Sonnenblumenkerne - bei diesen Erzeugnissen wird die heimische Landwirtschaft geschützt - wohlgemerkt, nur in diesen Ländern durch eine Ausnahmeregelung.
Özdemir: "Das ist kein Wünsch-Dir-Was"
Die EU-Kommission, aber auch Özdemir drängten auf Änderungen. Doch die wird es wohl noch nicht wie geplant zum 15. September, sondern erst später geben. Nach den Wahlen in Polen.
Özdemir geht mit den Osteuropäern hart ins Gericht: "Das ist kein Wünsch-Dir-Was, wo man sich rauspickt, was einem gerade gefällt. Geld aus Brüssel in Anspruch nehmen, aber gleichzeitig die Grenze schließen, das geht nicht." Özdemirs französischer Amtskollege Marc Fesneau sieht das ähnlich. Auch Finnlands Agrarministerin Sari Essayah ist besorgt: Alleingänge einzelner EU-Staaten dürfe es nicht geben.
Polen droht EU mit einseitigen Schritten
Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte mit einseitigen Schritten gedroht, falls die EU-Kommission die Ausnahmeregelungen zum Schutz der Bauern nicht über den 15. September hinaus verlängere, würde man es selbst tun. Genau das könnte jetzt passieren, wenn das Importverbot nicht verlängert wird.
"Das ist nicht nur für den EU-Markt ein großes Problem", warnte Finnlands Agrarministerin. "Wir müssen auch dafür sorgen, dass Getreide aus der Ukraine über EU-Gebiet auf die globalen Märkte kommt. Das Getreide ist wichtig für die weltweite Lebensmittelsicherheit."
Solidaritätswege für ukrainische Getreideexporte
Russland kündigte das Getreideabkommen vor gut einer Woche auf. Jetzt kann die Ukraine über das Schwarze Meer keine Güter mehr transportieren. Sogenannte Solidaritätswege durch die EU sollen Abhilfe schaffen. Doch die Koordination ist kompliziert und teuer.
Transitländer wie Tschechien und Polen befürchten volle Lager und sinkende Preise. Mitte September wollen die Agrarminister die Lage noch einmal neu bewerten.
Ziel: Neue Transportwege finden
"Es gibt das Risiko, dass Russland aus dieser Lage den größten Nutzen zieht", warnte der polnische EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski, "für Länder in Afrika und anderswo könnte es am Ende billiger sein, Getreide aus Russland zu kaufen, als das durch den komplizierten Transport verteuerte Getreide aus der Ukraine".
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hatte Alternativrouten ins Gespräch gebracht. Getreide könnte in verplombten Zügen durch Polen zu den Häfen im Baltikum transportiert und von dort verschifft werden. Auf jeden Fall sollen neue Transportwege gefunden werden - auch die Binnenschifffahrt soll eine große Rolle beim Transport spielen.