Hafenblockade in der Ukraine Getreideexporte über die Donau sind schwierig
Wegen der russischen Blockade ihrer Häfen versucht die Ukraine, andere Wege für den Getreideexport zu finden - etwa über die Donau. Mehr als eine Übergangslösung sieht die Ukraine darin aber nicht. Hoffnung setzt sie auf ein Treffen in Istanbul.
Die Ukraine war vor dem Krieg einer der weltgrößten Exporteure von Weizen und anderem Getreide. Ukrainischen Landwirte gaben zuletzt an, wegen des Krieges um die Hälfte weniger Getreide monatlich zu exportieren als zu Friedenszeiten. Denys Martschuck vom ukrainischen Landwirtschaftsrat spricht von Getreideexporten von etwa fünf bis sechs Millionen Tonnen pro Monat vor dem Krieg. Im Juni seien es nun etwa 2,2 Millionen Tonnen gewesen. Nach Ansicht von Martschuk handelt es sich dabei um Verluste, die nicht aufzuholen sind.
Dass die Ukraine aktuell so viel weniger Getreide exportiert, liegt vor allem daran, dass Russland die ukrainischen Häfen blockiert. Zu Friedenszeiten wurde das meiste Getreide aus der Ukraine nämlich über genau diese Häfen über das Schwarze Meer exportiert.
Export von Getreide über Donau soll anlaufen
Wegen der Blockade versucht die Ukraine nun, ihr Getreide über andere Wege zu exportieren - beispielsweise über Häfen von Rumänien, Litauen und Polen oder über die Donau. Regierungsangaben zufolge kann das Land so Getreide per Schiff exportieren - trotz der russischen Blockade der Schwarzmeerhäfen.
Nach Angaben des ukrainischen Infrastrukturministeriums haben 16 Handelsschiffe schon eine Mündung des Donaudeltas passiert. Sie könnten jetzt mit Getreide beladen werden. Das geschieht in den drei ukrainischen Donau-Häfen. Dies sei dank der Befreiung der Schlangeninsel möglich geworden, hieß es von ukrainischer Seite. Die Ukraine eroberte die Insel Ende Juni zurück - und hat damit das Donaudelta und den Meereszugang wieder unter Kontrolle.
Mehr als 90 weitere Schiffe stünden im rumänischen Sulina-Kanal bereit, einem weiteren Mündungsarm der Donau. Auf der Sulina-Route können laut Vize-Infrastrukturminister Juri Waskow bislang allerdings nur vier Schiffe pro Tag abgefertigt werden. Für den Getreideexport seien aber acht Schiffe pro Tag nötig. Die Ukraine verhandle deshalb mit ihren rumänischen Kollegen und Vertretern der Europäischen Kommission über eine Erhöhung der Durchfahrtskapazität. Außerdem sind regelmäßige Staus an den Donau-Häfen problematisch.
Bahn könnte bald zu teuer werden
Zuletzt hatten viele ukrainische Getreideexporteure versucht, ihre Lieferungen nach Europa ganz oder teilweise über die Bahn abzuwickeln - zu den Endkunden in die EU, aber auch, um die Häfen von Rumänien, Litauen und Polen zu erreichen und das Getreide von dort weiter nach Afrika und Asien zu transportieren.
Dieser Exportweg könnte allerdings schon bald zu teuer werden. Grund dafür sind Pläne der ukrainischen Bahn, die Preise für Getreideexporte anzuheben. Einige Betriebe befürchten deshalb Schließungen. Mehr als einem Drittel der Landwirtschaftsbetriebe drohe eine Pleite, sagt Martschuck vom Landwirtschaftsrat:
Wenn die Häfen nicht in naher Zukunft geöffnet werden und die ukrainische Eisenbahn nicht ihre Tarife revidiert, werden etwa 30 bis 40 Prozent der landwirtschaftlichen Erzeuger in der gesamten Ukraine einfach gezwungen sein, ihr Geschäft zu schließen.
Lkw-Exporte führen zu Staus
Auch mit Lkw-Transporten können nicht die Vor-Kriegs-Mengen an Getreide exportiert werden. Grund dafür sei, dass die Zollinfrastruktur nicht ausreichend ausgebaut ist, hieß es aus dem Infrastrukturministerium des Landes. Das führe zu langen Schlangen an den Grenzstellen.
Brennende Felder im Südosten der Ukraine
Dazu kommt, dass die Arbeit der Landwirte in der Ukraine durch den Krieg stark beeinträchtigt bis unmöglich ist. Im Gebiet Saporischja im Südosten des Landes sollen etwa Weizenfelder gebrannt haben. Sie gingen offenbar nach einem Beschuss in Flammen auf. Augenzeugen und Aktivisten veröffentlichten Aufnahmen von brennenden Ähren auf einer Fläche so groß wie 28 Fußballfelder.
Viele Äcker sind außerdem übersät mit Geschossen und Minen. Daher müssen Landwirte unter Beschuss pflügen und ernten und Minen umfahren. Besonders für die Zentralukraine und den Süden ist das bitter, denn die Böden dort gelten als besonders fruchtbar.
Weil alternative Exportwege umständlich und teuer sind, gilt in der Ukraine eine Aufhebung der Hafenblockade als entscheidend für die Getreideexporte. Dabei geht es nicht nur um die Ausfuhr des Getreides, sondern auch darum, die Speicher für die neue Ernte zu leeren. Die Landwirte fürchten sonst, das frische Getreide auf den Feldern lassen zu müssen.
Kuleba blickt optimistisch auf Gespräche
Hoffnungen liegen daher auf einem Treffen in Istanbul, bei dem Vertreter von Russland, der Ukraine, der Vereinten Nationen und der Türkei zur Stunde über eine mögliche Wiederaufnahme der Getreidelieferungen über das Schwarze Meer beraten. Nach Aussagen des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba könnte bei dem Treffen tatsächlich eine Lösung ausgehandelt werden. In einem Interview der spanischen Zeitung "El País" sagte Kuleba, man sei "zwei Schritte von einem Abkommen mit Russland entfernt". Kuleba versicherte, man werde versuchen, alle Sicherheitsbedenken auszuräumen.
Wir sind in der Endphase (der Verhandlungen) und alles hängt nun von Russland ab. Wenn sie es wirklich wollen, werden die Getreideexporte bald beginnen.
"Russland nicht daran interessiert, dass Ukraine exportiert"
Auf die Frage, welche Gründe Russland haben könnte, um die Getreideexporte doch zuzulassen, sagte der Minister: "Ich sehe nur einen Grund: Sie wollen den Ländern Afrikas und Asiens zeigen, dass sie sie vor der (Lebensmittel-)Knappheit bewahren wollen." Obwohl der Außenminister sich optimistisch zeigte, räumte er ein, dass noch nicht alles in trockenen Tüchern sei. "Es stimmt, Russland ist nicht daran interessiert, dass die Ukraine exportiert. Sie wissen, dass wir, wenn wir exportieren, auf den internationalen Märkten auch Einnahmen erzielen und dadurch stärker werden."
Mit Informationen von Palina Milling, für das ARD-Studio Moskau, zzt. in Köln