Weiter heftige Kämpfe Ukraine meldet Befreiung von Irpin
Die Ukraine meldet die Rückeroberung der Stadt Irpin bei Kiew. In Tschernihiw bahnt sich unterdessen die nächste humanitäre Katastrophe an. Die Evakuierungen umkämpfter Städte sollen heute fortgesetzt werden.
In dem Ort Irpin, im Nordwesten der ukrainischen Hauptstadt Kiew, liefern sich die ukrainischen Streitkräfte erbitterte Gefechte mit den russischen Truppen - seit Wochen. Nun konnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij einen Erfolg verkünden: "Unsere Verteidiger rücken in der Region Kiew vor. Sie gewinnen die Kontrolle über das ukrainische Territorium zurück und haben Irpin befreit. Aber es ist noch zu früh darüber zu reden, dass dieser Teil der Region sicher ist. Die Kämpfe gehen weiter."
Seit einigen Tagen meldet der ukrainische Generalstab, dass es in den Vororten von Kiew gelinge, sogar einige Geländegewinne zu machen. Die Präsenz des russischen Militärs bleibt aber offenbar weiterhin groß, auch nach Erkenntnissen ausländischer Geheimdienste.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Tschernihiw abgeschnitten
Nur 150 Kilometer nördlich von Kiew droht eine neue humanitäre Katastrophe - in der Stadt Tschernihiw. Nahe der belarusischen und russischen Grenze ist das einst schmucke Städtchen seit Tagen ohne Strom und unter starkem Beschuss. Seit eine wichtige Autobahnbrücke in die Stadt zerstört wurde, ist es nahezu unmöglich, Lebensmittel und Medikamente nach Tschernihiw zu bringen.
Auch in den Gebieten Sumy, Charkiw, Donbass und im Süden der Ukraine bleibe die Lage "sehr schwierig". Die ukrainischen Streitkräfte erklärten, man sei dabei, den russischen Vormarsch auf die Großstadt Slowjansk im Gebiet Donezk im Südosten des Landes zu stoppen. Auch um die rund eine Autostunde entfernte Kleinstadt Barwinkowe im Gebiet Charkiw seien Kämpfe im Gange.
Mehrere Tote in Mykolajiw
Nach Angaben örtlicher Behörden nahm die russische Armee ein Regierungsgebäude in der südukrainischen Stadt Mykolajiw unter Beschuss. Dabei wurden nach Angaben von Präsident Selenskyj mindestens sieben Menschen getötet und 22 verletzt. Die Trümmer würden derzeit noch durchkämmt auf der Suche nach weiteren Opfern. "Das Gebäude der Regionalverwaltung wurde getroffen", erklärte Gouverneur Witali Kim in einer Videobotschaft auf Facebook. Die Hälfte des Gebäudes sei bei dem Angriff zerstört worden.
Mykolajiw liegt im Süden der Ukraine zwischen Odessa und Cherson. Die Stadt steht seit Wochen unter russischem Beschuss, zuletzt ließen die Angriffe auf Mykolajiw aber nach.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
160.000 harren in Mariupol aus
Keine Entspannung gibt es auch in Mariupol. Zwar soll bislang laut Bürgermeister Vadim Bojtschenko rund 290.000 Stadtbewohnern inzwischen die Flucht gelungen sein. "Nach unseren Schätzungen sind aber etwa 160.000 Menschen immer noch in Mariupol", so Bojtschenko. "In der Stadt ist es unmöglich zu überleben, weil es überhaupt nichts gibt: kein Wasser, kein Licht, keine Wärme, keine Kommunikation." Nach Angaben ukrainischer Medien sollen 5000 Menschen während der Blockade bereits ums Leben gekommen sein.
Mariupol ist seit dem 1. März von den russischen Truppen eingekesselt. Nach Behördenangaben sind bis zu 90 Prozent der Gebäude zerstört. Seit Anfang der Belagerung konnte kein einziger Konvoi mit Hilfslieferungen Mariupol erreichen. Geflüchtete berichten, dass Leichen mitten auf der Straße liegen. Menschen würden beim Kochen am Feuer in ihren Höfen getötet.
Drei Fluchtkorridore vereinbart
Die ukrainische Regierung hat eigenen Angaben zufolge für Dienstag mit den russischen Truppen drei Fluchtkorridore für die Evakuierung von Zivilisten ausgehandelt. Aus Mariupol soll es möglich sein, mit privaten Autos über Berdjansk nach Saporischschja zu fahren, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk.
Zwei weitere Korridore seien im Gebiet Saporischschja für die Atomkraftwerksstadt Enerhodar und die Großstadt Melitopol vereinbart worden. Busse des Zivilschutzes seien unterwegs. Die drei Fluchtkorridore träfen in der unter ukrainischer Kontrolle stehenden Stadt Saporischschja zusammen. Am Montag hatte die Ukraine die Evakuierungen vorerst gestoppt. Anlass waren nach Regierungsangaben Hinweise auf "mögliche Provokationen" der russischen Armee entlang der festgelegten Fluchtrouten.
UN starten Initiative für Waffenruhe
UN-Generalsekretär António Guterres hat eine Initiative zu sofortigen Sondierungen für eine mögliche "humanitäre Waffenruhe" in der Ukraine gestartet. Ziel ist, die Lieferung von dringend benötigten Hilfsgütern in umkämpfte Gebiete zu ermöglichen und den Weg für ernsthafte politische Verhandlungen zu bereiten, um den seit mehr als einem Monat andauernden Krieg zu beenden. Guterres sagte, er habe UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths gebeten, bei Russland und der Ukraine die Aussichten für eine Waffenruhe zu erkunden.