Krieg gegen die Ukraine Letztes Ultimatum für Mariupol?
Immer noch sollen sich Kämpfer und Zivilisten im Stahlwerk Asowstal in Mariupol aufhalten. Der Anführer der russischen Teilrepublik Tschetschenien kündigte an, dass die ukrainische Hafenstadt noch heute fallen könnte.
Dem Anführer der russischen Teilrepublik Tschetschenien zufolge könnte das Stahlwerk Asowstal in der schwer umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol noch am heutigen Donnerstag an russische Einheiten fallen.
"Heute vor oder nach dem Mittagessen wird Asowstal vollständig unter Kontrolle der russischen Streitkräfte sein", erklärte Ramsan Kadyrow, dessen Einheiten in der Ukraine kämpfen, in der Nacht auf Telegram.
Kadyrow sagte weiter, die in dem Stahlwerk verbliebenen ukrainischen Kämpfer hätten am Morgen noch die Möglichkeit, sich zu ergeben. Täten sie dies, sei er sicher, dass die russische Führung "die richtige Entscheidung" treffen werde.
Kommandeur bittet um Evakuierung
Russischen Angaben zufolge befinden sich noch rund 2500 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner in dem Stahlwerk. Ukrainischen Mitteilungen zufolge sollen dort auch rund 1000 Zivilisten Schutz gesucht haben.
Am Mittwochmorgen hatte der Kommandeur der verbliebenen Marineinfanteristen um eine Evakuierung seiner Kämpfer - darunter sollen auch 500 Verletzte sein - in einen Drittstaat gebeten. Am Mittwochabend erklärten zwei Vertreter der ukrainischen Delegation bei den Gesprächen mit Russland ihre Bereitschaft, für Verhandlungen über die Evakuierung der Kämpfer und Zivilisten aus dem Stahlwerk nach Mariupol zu kommen.
Geplante Evakuierung aus Mariupol scheitert erneut
Derweil scheiterte am Mittwoch erneut eine geplante Evakuierung von Zivilisten aus Mariupol. Grund sei Russlands Unwille, sich an eine Feuerpause zu halten, sagte Vizeregierungschefin Weretschtschuk. "Wegen der Schludrigkeit" des russischen Militärs sei es diesem auch nicht gelungen, Evakuierungswillige rechtzeitig in ein Gebiet zu bringen, wo ukrainische Busse auf sie gewartet hätten. Letztlich habe der "humanitäre Korridor nicht wie geplant funktioniert".
Weretschtschuk ergänzte, dass die Bemühungen um eine Rettung von Zivilisten aus Mariupol heute wieder aufgenommen würden. Nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj harren rund 120.000 Menschen in der belagerten Stadt aus.
Ukraines Sicherheitsrat: Großoffensive hat noch nicht begonnen
Dem Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrates zufolge hat die neue Großoffensive Russlands in der Ukraine noch nicht begonnen. Am Dienstagmorgen hätten zwar Angriffe entlang der gesamten Frontlinie auf dem Territorium der Gebiete Donezk, Luhansk und Charkiw begonnen, sagte Olexij Danilow in einem Radiointerview, wie die ukrainische Internet-Zeitung "Ukrajinska Prawda" am Abend berichtete. Es sei aber wahrscheinlich, dass es sich dabei erst um "Probeangriffe" handle.
Wann die sogenannte große Offensive beginne, sei nur eine Frage der Zeit, sagte Danilow weiter. Moskau könne in den nächsten zwei bis vier Wochen immer noch neue Ressourcen und Reserven in großen Mengen aufbauen. Er warnte zudem davor, zu denken, dass die Kämpfe um den Donbass die letzte und entscheidende Schlacht in dem Krieg sein würden. "Ich wäre nicht so optimistisch, es können jede Menge verschiedene Dinge noch vor uns liegen."
Kiew erwartet seit mehreren Tagen den Beginn einer Großoffensive russischer Truppen, die sich nach dem Rückzug aus Gebieten rund um die Hauptstadt Kiew und im Nordosten des Landes Anfang April nun in den russischen Grenzregionen zur Ukraine oder im Osten der Ukraine neu aufstellen. Zuvor hatte bereits am Dienstag das US-Verteidigungsministerium erklärt, es sehe die jüngsten russischen Angriffe nur als Vorzeichen einer größeren Offensive Moskaus.
Beschuss aus mehreren Orten in der Ukraine gemeldet
Unterdessen wurde auch in der Nacht aus der Ukraine erneut Beschuss gemeldet. In der Großstadt Charkiw im Osten des Landes hätten nach Explosionen mindestens zwei Hochhäuser im nordöstlichen Bezirk Saltivka und mehrere geparkte Autos Feuer gefangen, berichtete die "Ukrajinska Prawda".
In der Region Dnipropetrowsk seien die Nachbarorte Selenodolsk und Welyka Kostromka unter heftigen Beschuss geraten, teilte der Chef der lokalen Militärverwaltung, Olexander Wilkul, am frühen Morgen auf Facebook mit. Angaben zu genauen Zielen oder Schäden machte Wilkul nicht.
In dem Gebiet befindet sich ein Wärmekraftwerk. Es gebe Probleme mit der Stromversorgung, weitere Folgen bringe man noch in Erfahrung, sagte Wilkul weiter. Laut Wilkul sind auch nunmehr wieder unter ukrainischer Kontrolle stehende Dörfer im Gebiet Cherson am späten Abend beschossen worden. Die Angaben konnte nicht unabhängig geprüft werden.
Ukraine: Massengräber entdeckt
Im Kiewer Vorort Borodjanka sind nach ukrainischen Angaben zwei weitere Massengräber entdeckt worden. Darin hätten sich insgesamt neun Leichen von Zivilisten, Männer wie Frauen, befunden, teilte Andrij Nebitow von der Polizei der Region Kiew in der Nacht zum Donnerstag auf Facebook mit. Einige von ihnen hätten Folterspuren aufgewiesen, hieß es weiter. Borodjanka gehört zu den am stärksten zerstörten Städten in der Hauptstadtregion.
Gouverneur: 80 Prozent von Luhansk unter russischer Kontrolle
Ukrainischen Angaben zufolge ist derweil rund acht Wochen nach Beginn des russischen Angriffskriegs der Großteil der Region Luhansk unter russischer Kontrolle. Nach dem Abzug der ukrainischen Truppen aus der Kleinstadt Krimenna kontrollierten russische Einheiten nun 80 Prozent des Gebietes Luhansk, teilte der Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, am Abend auf Telegram mit.
Auch die Städte Rubischne und Popasna in Luhansk seien mittlerweile "teilweise" unter russischer Kontrolle. Um diese gibt es seit Wochen intensive Kämpfe. Der Beschuss habe auch hier zugenommen, schreibt Hajdaj weiter.
Zu Beginn des Krieges am 24. Februar hatten die Separatisten der selbsternannten "Volksrepublik" Luhansk rund 30 Prozent der Region unter ihrer Kontrolle.
Hajdaj hatte am Dienstag die verbliebenen Einwohner aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Die Behörden versuchten, Busse zu organisieren, die Menschen zu bereitgestellten Zügen bringen. Es sollen weiter 70.000 Menschen in dem Gebiet ausharren. Sollte es eine Feuerpause zum orthodoxen Osterfest am Sonntag geben, sagte Hajdaj am Mittwoch weiter, wolle man diese so gut wie möglich für Evakuierungen und Hilfslieferungen nutzen.