Beschuss ukrainischer Städte Weitere Angriffe, weitere zivile Opfer
Ungeachtet der Verhandlungen über Fluchtkorridore gehen die Angriffe vor allem auf ukrainische Großstädte weiter. Russland meldete Gebietsgewinne. Laut UN steigt die Zahl ziviler Opfer.
Die russische Armee hat auch heute ihre Angriffe in der Ukraine fortgesetzt und dabei nach eigenen Angaben Geländegewinne in der Ostukraine erzielt. Russische Truppen hätten fünf Siedlungen an der Grenze der Gebiete Donezk und Saporischschja eingenommen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Zudem hätten Kampfjets und Bomber 26 weitere militärische Objekte zerstört, so das Ministerium weiter.
Nach ukrainischen Angaben fügten die Streitkräfte der Ukraine den Angreifern schwere Verluste bei. Einige russische Einheiten hätten bei Kämpfen um Konotop und Ochtyrka im Nordosten des Landes bis zu 50 Prozent ihres Personals verloren. "Der moralische und psychologische Zustand des Feindes bleibt extrem niedrig", erklärte der Generalstab in Kiew. Russische Soldaten würden in Scharen desertieren. Der Generalstab warf den russischen Truppen vor, noch schwerere Luftangriffe auf ukrainische Städte zu fliegen. Die Angaben ließen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.
Tote bei Beschuss einer Bäckerei
Auch mehrere Städte stehen weiter unter Beschuss. Bei einem russischen Luftangriff westlich von Kiew sind nach ukrainischen Angaben mindestens 13 Zivilisten getötet worden. Eine Granate habe das Gelände einer Großbäckerei im Ort Makariw getroffen, teilte das ukrainische Innenministerium mit. Fünf Menschen seien aus den Trümmern gerettet worden. Insgesamt hätten sich etwa 30 Menschen auf dem Gelände aufgehalten. Die Bäckerei sei derzeit nicht in Betrieb.
Russische Truppen stehen nordwestlich von Kiew und versuchen, auch von Westen auf die ukrainische Hauptstadt vorzurücken. Dabei wurde offenbar der Vorort Irpin von russischem Militär eingenommen. Auf Fernsehbildern ist zu sehen, wie zahlreiche Bewohner mit nur dem nötigsten Hab und Gut die Region verlassen. Sie berichten von Plünderungen durch russische Soldaten und mehreren Getöteten.
Kontrollpunkte in Kiew
In der Hauptstadt selbst errichteten Soldaten und Freiwillige Hunderte Kontrollpunkte, oftmals verstärkt mit Sandsäcken, gestapelten Autoreifen und Stacheldraht. "Jedes Haus, jede Straße, jeder Checkpoint, wir werden notfalls bis zum Tod kämpfen", sagte der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko.
In Mariupol hoffen etwa 200.000 Menschen auf eine Möglichkeit zur Flucht aus der Umkämpften Stadt. Es fehlt es an Wasser, Nahrungsmitteln und Strom. Die Handynetze sind ausgefallen, Geschäfte wurden geplündert. Die Polizei forderte die Einwohner dazu auf, in Schutzräumen zu bleiben, bis per Lautsprecher eine Evakuierungsanweisung ergeht.
Beschuss von Atomlabor
Die Millionenstadt Charkiw wurde erneut Ziel von Luftangriffen, bei denen laut Anwohnern auch Wohnhäuser getroffen wurden. Wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) mitteilte, wurde in der Stadt auch ein Atomlabor zerstört. Es war nach ukrainischen Angaben am Sonntag beschossen worden. Es sei aber keine Strahlung ausgetreten. Das Physik- und Technologieinstitut verfügte laut IAEA über einen Neutronengenerator, mit dem Neutronen für wissenschaftliche Zwecke erzeugt wurden. Es lagerten aber nur sehr kleine Mengen nuklearen Materials in dem Institut.
UN: Mindestens 400 tote Zivilisten
Mit den Angriffen steigt auch die Zahl der Opfer. Insgesamt bestätigt das UN-Menschenrechtsbüro den Tod von 406 Zivilisten seit Beginn der russischen Invasion. Es seien zudem 801 verletzte Zivilisten bestätigt worden, hieß es. Die tatsächlichen Zahlen seien vermutlich weit höher, hieß es.
Auch die empfohlenen Fluchtrouten sind nicht immer sicher. So berichtete der Einsatzleiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Dominik Stillhart, in der BBC von der Gefahr von Minen. Einige IKRK-Mitarbeiter hätten am Sonntag versucht, Mariupol auf einer vereinbarten Route zu verlassen, hätten aber festgestellt, dass "die ihnen angezeigte Straße vermint war".
Die Verhandlungen zwischen einer russischen und einer ukrainischen Delegation brachte indes kaum Verbesserungen. Es habe positive Signale gegen, sagte der ukrainische Unterhändler. Aber beim Thema humanitäre Korridore sei kein durchbrechendes Ergebnis erzielt worden.
Macron wirft Putin "politischen Zynismus" vor
Zuvor hatte Kiew Fluchtrouten für Zivilisten nach Belarus und dann weiter nach Russland strikt abgelehnt. "Das ist keine akzeptable Option", erklärte die stellvertretende ukrainische Regierungschefin Iryna Wereschtschuk. Ein Sprecher der Regierung warf Russland vor, mit seinem Vorstoß für die Evakuierungen nur "das Leid der Menschen" auszunutzen, "um die gewünschten TV-Bilder zu schaffen".
Auch der französische Präsident Emmanuel Macron warf Moskau "moralischen und politischen Zynismus" vor. Er "kenne keine Ukrainer, die nach Russland fliehen wollten, das ist reine Verlogenheit". Bei dem angeblichen Angebot Russlands handele es sich um "eine bloße PR-Nummer, die ich verachte", erklärte Macron.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.