Krieg gegen die Ukraine "Wir müssen entscheiden, wie wir den Feind töten"
Die Ukraine hat erstmals Angriffe auf das Grenzgebiet Russlands zugegeben. In einem Zeitungsinterview erklärte Armeechef Saluschnyj, er tue, was nötig sei - auch auf feindlichem Gebiet. Westliche Waffen seien nicht im Spiel.
Der ukrainische Armeechef Walerij Saluschnyj hat nach einem Bericht der US-Zeitung "Washington Post" Angriffe der ukrainischen Armee auf russisches Staatsgebiet zugegeben. "Es ist unser Problem, und wir müssen entscheiden, wie wir den Feind töten. Es ist möglich und nötig, ihn auf seinem Gebiet im Krieg zu töten", sagte Saluschnyj der Zeitung. Dafür würden nur Waffen eingesetzt, die im eigenen Land produziert wurden, heißt es in dem Bericht weiter.
Die Zeitung verwies darauf, dass Kiew die Schläge über die Grenze sonst offiziell nicht zugebe, obwohl es immer wieder massiven Artillerie- und Drohnenbeschuss von ukrainischer Seite gebe. "Wenn unsere Partner Angst haben, ihre Waffen zu nutzen, dann töten wir mit unseren eigenen", sagte Saluschnyj mit Blick auf Auflagen der westlichen Verbündeten, mit den gelieferten Waffen nicht russisches Staatsgebiet anzugreifen. "Um meine Leute zu schützen, warum sollte ich jemanden um Erlaubnis fragen müssen, was ich auf feindlichem Gebiet tue?"
Forderung nach mehr Waffen
Dem Bericht zufolge hätte Saluschnyj gern deutlich mehr Waffen, darunter Marschflugkörper und moderne Kampfflugzeuge. Doch könne das Land erst im nächsten Jahr mit den Kampfjets vom Typ F-16 rechnen, erklärte er.
Saluschnyj machte dem Bericht zufolge auch deutlich, dass er die von Russland schon 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim ebenfalls zurückholen wolle. "Sobald ich die Mittel habe, werde ich etwas tun. Es ist mir egal, niemand wird mich stoppen", wird er weiter zitiert.
Im Mai hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Berlin Befürchtungen widersprochen, seine Streitkräfte könnten mit moderneren westlichen Waffen auch russisches Staatsgebiet angreifen. "Wir greifen das russische Territorium nicht an. Wir befreien unser gesetzmäßiges Gebiet", sagte Selenskyj bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz.
Es gibt verschiedene aus dem Westen gelieferte Waffensysteme, die auch gegen Ziele in Russland eingesetzt werden könnten. Dazu zählen die britischen "Storm Shadow"-Marschflugkörper, die US-Raketenwerfer HIMARS und letztlich auch die aus Deutschland gelieferten Panzerhaubitzen 2000.
Selenskyj dämpft Erwartungen an Gegenoffensive
Die Gegenoffensive der ukrainischen Armee läuft offenbar nicht so wie von der ukrainischen Armee erhofft. In seiner Videoansprache vom Freitagabend dämpfte Selenskyj erneut die Erwartungen.
Man müsse ganz klar begreifen, dass die russischen Streitkräfte in den südlichen und östlichen Gebieten alles ihnen Mögliche tun werden, um die ukrainischen Soldaten aufzuhalten, sagte Selenskyj. Daher müsse man für jeden Erfolg im Kampf dankbar sein. Die Aussage ist ein Indiz für die Schwierigkeiten, mit denen das ukrainische Militär bei seiner Offensive konfrontiert ist.
Russische Einheiten konnten sich monatelang auf die ukrainische Gegenoffensive vorbereiten. Vor allem im Süden der Ukraine wurden umfangreiche Minenfelder, Schützengrabensysteme und Hindernisse für gepanzerte Fahrzeuge angelegt. Teils wurden Verteidigungsgürtel gestaffelt angelegt, die bisher von ukrainischen Einheiten nicht durchbrochen werden konnten.
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
Zahlreiche russische Angriffe auf Ukraine
Die russischen Angriffe auf die Ukraine gehen unvermittelt weiter. Die ukrainische Flugabwehr fing nach eigenen Angaben zehn von Russland gestartete Drohnen ab. Die Invasionstruppen hätten während der Nacht allein sechs Drohnen auf den Süden und Osten des Landes abgefeuert, teilte die Luftwaffe mit. Vier davon seien zerstört worden. Einzelheiten zu Schäden und Opfern wurden zunächst nicht genannt.
Aus der Region Saporischschja, wo vermutlich der Schwerpunkt der ukrainische Offensive liegt, meldete Gouverneur Jurij Malaschko 45 Luft- und Artillerieangriffe von Freitag bis Samstag. Die weiter südlich gelegene Region Cherson wurde nach Angaben von Gouverneur Olexander Prokudin 70 Mal mit Flugzeugen, Drohnen, Panzern, Granaten und Raketenwerfern angegriffen. Zivilisten seien nicht verletzt worden, sagte Prokudin.