Krieg gegen die Ukraine Russland verteilt Pässe in besetzten Regionen
Menschen in südukrainischen Gebieten können im Schnellverfahren russische Pässe beantragen. Das verfügte Präsident Putin per Erlass. Die Ukraine fürchtet, dass Moskau sich so weitere Regionen nach dem Vorbild der Krim einverleiben könnte.
Russland will seinen Einfluss in der Ukraine nach dem Einmarsch seiner Truppen festigen. Dazu sollen Pässe an die Menschen in dem besetzten Gebiet Cherson und im Gebiet Saporischschja vergeben werden. Russlands Staatschef Wladimir Putin unterzeichnete ein Dekret, um den Erhalt der russischen Staatsbürgerschaft für die Einwohner in diesen Regionen zu erleichtern.
Bewerber müssen nicht in Russland gelebt haben, keine ausreichenden finanziellen Mittel nachweisen oder einen russischen Sprachtest bestehen. Die in den Gebieten neu ernannten pro-russischen Behördenvertreter hatten bereits den Wunsch geäußert, dass die Regionen an Russland angeschlossen werden.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Putin verspricht soziales Wohl
Ein ähnlicher Präsidialerlass gilt seit 2019 auch für die Bewohner der Separatistengebiete Luhansk und Donezk in der Ostukraine. Hunderttausende Menschen nutzten das Angebot. Die Volksrepubliken Luhansk und Donezk hatte Putin bereits gegen heftige internationale Kritik als unabhängige Staaten anerkannt. Unklar ist aber, ob sie eigenständig bleiben oder eine Aufnahme in die Russische Föderation beantragen wollen. Russland begründet seine militärischen Invasionen unter anderem damit, seine Bürger oder Neubürger im Ausland schützen zu wollen. Für Senioren in den Gebieten etwa ist eine russische Staatsbürgerschaft mit höheren Rentenzahlungen verbunden.
Die ukrainische Regierung befürchtet, dass Russland sich die Regionen Luhansk, Donezk und Cherson nach dem Vorbild der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim einverleiben könnte. Kiew warnt seine Bürger immer wieder, sich auf diese Angebote der russischen Führung einzulassen und das eigene Land zu verraten. Putin hingegen zeigt sich überzeugt, dass nur für das soziale Wohl der Menschen gesorgt werden müsse und damit auch die Zustimmung komme. Die Politik sollen die Menschen im Gegenzug dem Kreml überlassen.
Russland weitet Angriffe im Osten aus
Nach Angaben der ukrainischen Regierung erhöhten die Truppen des Kremls massiv ihre Angriffe im Osten des Landes. Es würden derzeit schwere Kämpfe um die Großstadt Sjewjerodonezk geführt. Dort starben nach Angaben des Gouverneurs der Region Luhansk mindestens sechs Zivilisten. Acht weitere Menschen seien dabei in den vergangenen 24 Stunden verletzt worden, so Serhij Hajdaj weiter. Er warf russischen Soldaten vor, absichtlich Unterkünfte von Zivilisten anzugreifen.
Sjewjerodonezk und umliegende Städte bilden die einzige Gegend von Luhansk, die noch von der ukrainischen Regierung kontrolliert wird. Daneben meldete der Generalstab auch Gefechte aus dem Raum Bachmut südwestlich von Sjewjerodonezk. Russische Truppen hätten die Ortschaften Komyschuwacha, Jakowliwka und Troitzke angegriffen, sich aber nach Verlusten wieder zurückgezogen. Im Raum Awdijiwka gebe es ununterbrochenes Artilleriefeuer auf die Stellungen der Verteidiger. Im Süden der Ukraine gibt es demnach keine größeren Kämpfe.
Die Militärexperten des US-Kriegsforschungsinstituts Institute for the Study of War (ISW) berichteten in ihrer jüngsten Ukraine-Analyse, dass das russische Militär im schwer umkämpften Gebiet Luhansk Kräfte aus verschiedenen Richtungen zusammenziehe. Die für eine Offensive nötigen Reserven würden aus den Gebieten um Charkiw, Isjum, Donezk und Saporischschja abgezogen.
Ukraine will Mehrfachraketenwerfer
Angesichts der Lage im Donbass pochte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba darauf, seinem Land schnell Mehrfachraketenwerfern zu liefern. Die Raketensysteme könnten dabei helfen, Orte von den russischen Besatzern in der Ukraine zurückzuerobern, darunter die Stadt Cherson. Er habe bei etwa zehn bilateralen Treffen mit Regierungsvertretern darüber gesprochen. Doch die seien ausgewichen und hätten auf die Amerikaner verwiesen.
"Jeder Tag, an dem jemand in Washington, Berlin, Paris und anderen Hauptstädten sitzt und überlegt, ob sie etwas tun sollten oder nicht, kostet uns Leben und Gebiete", stellte Kuleba auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos klar.