US-Raketen mit großer Reichweite Ukraine soll Russland mit ATACMS beschossen haben
Das ukrainische Militär hat nach russischen Angaben erstmals mit von den USA produzierten Raketen russisches Territorium angegriffen. US-Präsident Biden hatte der Ukraine einen solchen Einsatz der Waffen erst kürzlich erlaubt.
Die Ukraine soll die russische Grenzregion Brjansk mit US-Raketen großer Reichweite attackiert haben. Das teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Die Luftabwehr habe fünf von sechs Raketen vom Typ ATACMS abgeschossen, eine Rakete sei hingegen beschädigt worden.
Trümmer einer der Raketen fielen den russischen Angaben zufolge auf eine Militäreinrichtung und lösten ein Feuer aus. Es habe aber weder Opfer noch Schäden gegeben. Wenn die Angaben stimmen, wäre es der erste bekanntgewordene Angriff, seit die USA der Ukraine den Einsatz von ATACMS gegen Ziele in Russland erlaubt haben. Russland Außenminister Sergej Lawrow erklärte, der Angriff sei ein Zeichen, dass der Westen den Konflikt weiter eskalieren wolle.
Ukraine äußert sich nicht
Das ukrainische Militär hatte zuvor mitgeteilt, es habe in der Nacht zum Dienstag ein Waffenlager in der Nähe der Stadt Karatschew angegriffen. In dem Depot seien zwölf Folgeexplosionen beobachtet worden. Damit gemeint ist die Detonation von gelagerter Munition nach einem Einschlag.
Das ukrainische Militär hat sich bisher nicht dazu geäußert, ob für den Angriff ATACMS-Raketen eingesetzt wurden. Medien in Kiew berichteten unter Berufung auf nicht genannte Militärs jedoch, diese seien zum Einsatz gekommen.
Russische Offensive in Kursk erwartet
Die Ukraine hatte übereinstimmenden Medienberichten zufolge von den USA die Erlaubnis erhalten, mit US-Raketen mit großer Reichweite auch Ziele auf russischem Territorium anzugreifen. Der Kurswechsel in Washington folgte auf Berichte westlicher Geheimdienste, die von einer unmittelbar bevorstehenden Offensive Russlands mit rund 50.000 russischen und nordkoreanischen Soldaten in der Region Kursk berichteten. Die Ukraine besetzt seit dem Sommer Teile der russischen Grenzregion.
Die US-Freigabe soll den Berichten zufolge zunächst auf die Kampfhandlungen rund um Kursk beschränkt sein. Die Region Brjansk grenzt an Kursk, die Stadt Karatschew liegt nur etwas mehr als 20 Kilometer von der Grenze entfernt. Bislang durfte die Ukraine nur HIMARS-Raketenartillerie aus den USA gegen Ziele dicht hinter der russischen Grenze einsetzen, um die Offensive gegen die ostukrainische Großstadt Charkiw abzuwehren.
Karte der Ukraine und Russlands, hell schraffiert: von Russland besetzte Gebiete, dunkel schraffiert: Reichweite ATACMS
Putin unterzeichnet verschärfte Atomdoktrin
Der Kreml hatte den USA gestern vorgeworfen, "Öl ins Feuer" zu gießen und eine "gefährliche Eskalation" voranzutreiben. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im September gesagt, Russland würde eine Freigabe von US-Raketen als direkte Kriegsbeteiligung der NATO verstehen. Außenminister Lawrow verwies nach den Berichten über den Angriff zudem auf Äußerungen Putins, der Einsatz solcher Hightech-Raketen sei ohne die US-Amerikaner unmöglich. Er hoffe, Russlands neue Atomdoktrin werde aufmerksam gelesen, so Lawrow.
Präsident Putin hatte die seit Monaten angekündigte Verschärfung dieser Doktrin kurz zuvor in Kraft gesetzt. Das Dokument zählt neue Bedrohungsszenarien auf, in denen Russland zu Atomwaffen greifen könnte. Neu ist, dass Moskau die Aggression eines nichtnuklearen Staates, der aber von Atommächten unterstützt wird, als deren gemeinsamen Angriff auf Russland wertet. Dies richtet sich dagegen, dass die Ukraine von den Atommächten USA, Großbritannien und Frankreich militärisch unterstützt wird.
Die atomare Abschreckung gilt demnach auch für den Fall, dass sich potenziell feindliche Militärbündnisse bilden, erweitern oder mit ihrer Infrastruktur an Russland heranrücken. Diese Änderung dürfte sich gegen das Bestreben der Ukraine richten, in die NATO aufgenommen zu werden.
US-Kurswechsel vor Machtübergabe an Trump
Die Entscheidung des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden, ukrainische Raketenangriffe innerhalb Russlands zu erlauben, war im Lager seines Nachfolgers Donald Trump auf Kritik gestoßen. Bei den europäischen Verbündeten der Ukraine wird die Ausweitung der Einsatzerlaubnis hingegen größtenteils befürwortet.
Auch Frankreich und Großbritannien liefern der Ukraine Waffen mit großer Reichweite, haben diese - soweit öffentlich bekannt ist - bisher aber nicht für Angriffe tief in Russland freigegeben. Bundeskanzler Olaf Scholz hat die erneute Forderung, Deutschland solle der Ukraine "Taurus"-Marschflugkörper liefern, zurückgewiesen.